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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 6
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Rundschau
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Charlotte Berend

* ^ n -i t-j i * c • Das goldene Horn
Ausstellung der Berliner bezession

DIE BERLINER SEZESSION IM NEUEN
HAUSE
Architektonisch großartigere Pläne haben sich
doch nicht verwirklichen lassen, — man mußte
sich bei einer offensichtlichen Kompromiß-
lösung bescheiden. Immerhin bietet die durch
einen angebauten Oberlichtsaal von erhebli-
chen Ausmaßen zweckentsprechend erweiterte
Villa der Tiergartenstraße räumlich recht gute
Möglichkeiten, jedenfalls ganz andere als das
bisherige Obdach am Kurfürstendamm, und
durch ihre schöne Lage noch den Vorteil un-
mittelbaren Anschlusses an das eigentliche
Kunstviertel Berlins.
Die Verfügung über ein solches Heim ver-
pflichtet. Und wenn man die Künstler des
einst von Lovis Corinth geführten Kreises auf-
richtig in ihrem neuen Hause bewillkommnet,
so vor allem im Sinn der Erwartungen,
die sich an den Beginn eines neuen Abschnit-
tes in der bewegten Lebensgeschichte der Se-
zession knüpfen. Daß es der damals von der
Mehrzahl gerade ihrer vorausweisenden Per-
sönlichkeiten verlassenen Gruppe gelungen ist,
sich nicht allein bis heute zu behaupten, son-
dern sich nun sogar erneut zur Geltung zu
bringen und die Anwartschaft auf eine zen-
trale Stellung im Getriebe der Gegenwarts-
kunst präsentieren zu können, das ist gewiß
eine Leistung. Aber die Mitglieder der Sezes-

sion werden sich selbst nicht verhehlen, daß
solcher Kandidatur, solcher mit dem neuen
Hause übernommenen Verpflichtung die Po-
tenz der Gruppe letzthin kaum entsprochen
hat. Fortwursteln ist von jetzt ab nicht mehr
denkbar; die Sezession kann nicht einfach
übersiedeln, wie eine Firma das Geschäftslokal
wechselt, sondern muß die neuen Anforderun-
gen vernehmen, muß zu ihren Aufgaben sich
bekennen.
Dem Sinn ihres historischen Namens ist diese
Vereinigung freilich entwachsen, sie betont es
heute selbst. Was uns fehlt, das ist gewiß ein
Zusammenschluß der Abseitigen und Losge-
sagten, der diese innere Haltung mit äußerster
Gesinnungsstrenge wahrt und niemanden in
seinen Reihen noch behält, wenn er eingegan-
gen ist in das Gros der Anerkannten und Un-
befremdlichen. Eine solche rigorose Verwirk-
lichung des Sezessionsgedankens wird man von
dem durchaus anders konstituierten Verein
natürlich nicht erwarten. Was er sein will und
kann, das ist vielmehr Konzentration al-
ler irgend lebendigen Kräfte heutigen Kunst-
schaffens ohne Ansehen der Richtung.
Nun, auch das ist ein lohnendes Programm,
wofern nicht die Zusage, das Wertvolle aus
allen Lagern zu sammeln, als Titel gedacht ist,
unter dem man die Outsider ablehnt, die kei-
nem Lager angehören. Daß sich die Sezession

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