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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 8
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Waldmann, Emil: Schule, Kunstausstellung und Museum
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0297
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den Schulstunden natürlich, die für Geschichte oder Literaturgeschichte oder
Horaz bestimmt sind und wo dann die ganze Klasse gleich zwei Stunden »frei«
hat und die Mehrzahl sich dann langweilt oder Dummheiten macht, sondern
außerhalb der Schulzeit, vielleicht am Sonntag Vormittag sogar. Oder, im
Kupferstichkabinett, in dem die Kammermusik der bildenden Kunst gemacht
wird, in den Nachmittagsstunden oder abends. Kunstbetrachtung in der Schule
muß aufhören, ein Zwangsfach zu sein wie Grammatik oder Literaturge-
schichte. Sie muß wieder zum Genuß werden, zu einem Genuß, den man sich
selbst erobert, so wie der heimliche Shakespeare-Leser oder der heimliche
Bach-Spieler sich langsam die Weit von Schönheit erwirbt, in der er zu Hause
sein möchte.
Geht es so weiter, wie bisher, wird die heutige Schuljugend immer weiter
scharenweise durch die Museen und Ausstellungen gehetzt, heute Dürer und
morgen Menzel, gestern Böcklin und übermorgen Corinth, und immer gleich
zu Hunderten, vom zwölften Lebensjahre an, dann werden in dem Augenblick,
wo die Schüler von heute die Erwachsenen von morgen geworden sind, die
Museen so leer sein wie heute die protestantischen Kirchen. Denn dann hat
für diese Generation die Kunst das Beste verloren, was ihr eigen ist: Ihr Ge-
heimnis und ihren Adel.


Ad. v. Menzel. Die Tänzerin Pepita da Oliva. 1854
Aus der Menzel-Ausstellung der Galerien Thannhauser, Berlin

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