Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928
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Heft 8
DOI article:Rundschau
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Karl Hofer Liegende Frau am Ufer. Öl. 1927
Aus der Ausstellung »Deutsche Kunst der Gegenwart Nürnberg 1928«
Mit Genehmigung der Galerie Flechtheim, Berlin
RUNDSCHAU
BERLINER PRIVATBESITZ NEUERER
DEUTSCHER KUNST IN DER NATIO-
NALGALERIE
Im Oberstock des ehemaligen Kronprinzen-
palais ist einmal veranschaulicht, welche
Werte an deutscher Kunst des 20. Jahrhun-
derts die privaten Sammler Berlins zu ber-
gen gewußt haben. Mit je einem Saal sind die
führenden Meister zunächst der älteren Schicht,
also die Künstler der „Brücke“, des „blauen
Reiter“, Kokoschka, Feininger, Rohlfs, die
Modersohn, ferner Klee, Kandinskv, Macke
und einige Bildhauer sehr erheblich vertreten,
besonders stark Nolcle, Kirchner, Schmidt-
Rottluff und Marc. Eine weitere Ausstellung
wird dann Hofer, Beckmann, Dix und andere
Prominente der jungen Kunst zeigen. So be-
deutend der Eindruck ist, den diese Konzen-
tration meist vollgültiger Slücke macht, eigent-
lich soll hier die Leistung Derer gewürdigt
werden, die dem lebendigen Schaffen durch
ihre Anteilnahme Resonanz gaben und sich als
Käufer für Werdendes einsetzten, wo andere
Sammler gesicherte Marktwerte hinzulegen
sich begnügten. Der Katalog läßt die speziel-
len Neigungen der einzelnen Sammler für die-
sen oder jenen Künstler verfolgen, leider auch
erkennen, daß in den letzten Jahren Berlins
Aufnahmefähigkeit sehr nachgelassen hat. Be-
sonders reich und auffällig sicher gewählt er-
scheinen der Besitz von Max Ivruss und Käte
Bernard-Robinson, außerdem nach wie vor von
allergrößtem Gewicht die Sammlung Bern-
hard Koehler. Wolfradt
NEUERWERBUNGEN IM FRANKFURTER
LIEBIG-HAUS
Trotz der Knappheit der Mittel ist das Liebig-
Haus imstande eine interessante Kollektion
von neuen Erwerbungen vorzuweisen. Man
staunt über die Vielfalt der dargebotenen
Kunstobjekte, die ihre Aufstellung im Renais-
sancesaal des Museums gefunden haben, wo sie
wegen Raummangels in den anderen Sälen
auch vorderhand verbleiben werden.
Am auffallendsten wirkt die Mittelfigur einer
Gruppe aus Basalt (Hauran 1. bis 2. Jahrhun-
dert n. Chr.), einer Venus mit einem putto-
haften Amor, durch die Weichheit ihrer üp-
pigen Körpermodellierung, die freie Darbie-
tung ihrer Reize. Man glaubt eine moderne
Plastik vor sich zu haben, etwa von Maillol,
und staunt, daß ein früher Mischstil aus antik-
römischen und asiatischen Elementen diese
reife Gelöstheit zeigt. Auch die beiden Porträt-
büsten gleicher Provenienz und gleichen Ma-
terials weisen frische Auffassung und origi-
nelle Charakterisierungskunst. Swarzenski hat
selbst die drei Stücke in Syrien gekauft, die
griechisch-lateinische, bis jetzt noch nicht ent-
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