Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928
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Heft 8
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Ferd. Waldmüller
Spaziergang
Kat.-Nr. 10 der Versteigerung der Sammlung V. Zuckerkandl bei Wawra in Wien
Geschlossenheit noch gewinnt. Was nach Ab-
zug dieses „radikalen“' Bestandteiles die Aus-
stellung bietet, ist der Eindruck von einer
Kunst wohltemperierten Charakters, die un-
modisch ist, keine Probleme oder „.Weltan-
schauung“' malt, sondern immer wieder die
Landschaft, das Stilleben und den Akt, und
nur „bonne peinture“ sein will. Ist schon in
diesem Bestreben ein vereinheitlichendes Mo-
ment zu sehen, so ist fernerhin die ganz be-
sondere Pariser Atmosphäre und der konser-
vative Geist der Rasse, der auch auf die Künst-
ler fremder Nationen sehr bald wirkt (der
Tscheche Terechkovitch, die Schweizer Boß-
hard und Gimmi sind auf der Ausstellung ver-
treten) für den Verschmelzungsprozeß verant-
wortlich, der für das Auge des Beschauers Bil-
der der verschiedensten Individualitäten zu
einem einheitlichen Ausstellungsbild vereinigt.
Will man die Veranstaltung wirklich als einen
repräsentativen Querschnitt der heutigen fran-
zösischen Kunst gelten lassen, dann gewinnt
man den Eindruck, als ob der „.Klassizismus“
in Frankreich auf der ganzen Linie gesiegt
habe. Gerade weil man die Kontinuität der
Entwicklung angesichts dieser Bilder so stark
empfindet, kann man der kunsthistorischen
Unart des historischen Vergleichs nicht aus-
weichen und muß bei Akten von Asselin oder
Boßhaixl an Ingres denken und vor Stilleben
von Ceria an die fein abgewogenen Komposi-
tionen von Chardin. Selbst ein Meister wie
Camoin, der in Farbe und Komposition so zü-
gellos anfing, erscheint in einem Bild wie das
der Meeresbrandung an der Felsküste klassizis-
tisch beruhigt. Will man im Interesse der
historischen Einordnung nach dem Ausgangs-
punkt der heutigen französischen Malerei su-
chen, so wird es klar, wie sehr das heutige
Frankreich Cezanne verpflichtet ist. Seinen
Einfluß spürt man direkt bei Charlot oder in-
direkt auf dem Umweg über Coubine einer-
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Spaziergang
Kat.-Nr. 10 der Versteigerung der Sammlung V. Zuckerkandl bei Wawra in Wien
Geschlossenheit noch gewinnt. Was nach Ab-
zug dieses „radikalen“' Bestandteiles die Aus-
stellung bietet, ist der Eindruck von einer
Kunst wohltemperierten Charakters, die un-
modisch ist, keine Probleme oder „.Weltan-
schauung“' malt, sondern immer wieder die
Landschaft, das Stilleben und den Akt, und
nur „bonne peinture“ sein will. Ist schon in
diesem Bestreben ein vereinheitlichendes Mo-
ment zu sehen, so ist fernerhin die ganz be-
sondere Pariser Atmosphäre und der konser-
vative Geist der Rasse, der auch auf die Künst-
ler fremder Nationen sehr bald wirkt (der
Tscheche Terechkovitch, die Schweizer Boß-
hard und Gimmi sind auf der Ausstellung ver-
treten) für den Verschmelzungsprozeß verant-
wortlich, der für das Auge des Beschauers Bil-
der der verschiedensten Individualitäten zu
einem einheitlichen Ausstellungsbild vereinigt.
Will man die Veranstaltung wirklich als einen
repräsentativen Querschnitt der heutigen fran-
zösischen Kunst gelten lassen, dann gewinnt
man den Eindruck, als ob der „.Klassizismus“
in Frankreich auf der ganzen Linie gesiegt
habe. Gerade weil man die Kontinuität der
Entwicklung angesichts dieser Bilder so stark
empfindet, kann man der kunsthistorischen
Unart des historischen Vergleichs nicht aus-
weichen und muß bei Akten von Asselin oder
Boßhaixl an Ingres denken und vor Stilleben
von Ceria an die fein abgewogenen Komposi-
tionen von Chardin. Selbst ein Meister wie
Camoin, der in Farbe und Komposition so zü-
gellos anfing, erscheint in einem Bild wie das
der Meeresbrandung an der Felsküste klassizis-
tisch beruhigt. Will man im Interesse der
historischen Einordnung nach dem Ausgangs-
punkt der heutigen französischen Malerei su-
chen, so wird es klar, wie sehr das heutige
Frankreich Cezanne verpflichtet ist. Seinen
Einfluß spürt man direkt bei Charlot oder in-
direkt auf dem Umweg über Coubine einer-
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