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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 8
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0316
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großen Sammlungen. Für die Monatsteppiche
mit Ansichten des königlichen Schlosses sind
die nach Entwürfen von Le Brun 1668 bis
1669 ausgeführten Ölgemälde von Anguier,
van der Meulen, Genoels, Boudewyns, Boel,
Monnoyer im Musee des Arts Decoratifs in Pa-
ris. Die Kartons von J. Fr. de Troy zur Ge-
schichte der Esther sind zum Teil im gleichen
Museum, zum Teil im Louvre. Gerade der
Vergleich der Originalgemälde und der ver-
schiedenen Ausführungen, die bloße Gegen-
überstellung der Abbildungen wäre lehrreich.
Oder für Bildteppiche des 17. Jahrhunderts,
Beispiele die Monatsfolge in Arabeskenfassung
oder solche des 18. Jahrhunderts, Beispiele die
Götterportieren in ornamentaler Umrahmung,
der Zusammenhang mit dem Ornamentstich.
Der Umfang dieser Ergänzungen ist natürlich
Sache subjektiven Ermessens und deshalb wol-
len auch diese Zeilen nichts weiter sein, als
eine Anregung, über deren Wichtigkeit man
verschiedener Ansicht sein kann.
Adolf Feulner
FRITZ STAHL: PARIS. Eine Stadt als
Kunstwerk. 1928. Rudolf Mosse,
Buchverlag, Berlin.
Das Buch ist äußerlich die Verbindung eines
anmutig gesponnenen Textteiles und einer An-
zahl prächtiger Tiefdrucktafeln, die jeweils zu
1—2 Bogen in den Text hineingeheftet wur-
den und in der Paginierung mitzählen. Die
vielleicht nicht ganz unberechtigte Vermutung
läge nahe, daß die Tiefdruckmaschine das Buch
veranlaßt hat, wie das bekanntlich bei der im-
mer noch wachsenden Flut der Tiefdruck-Bil-
derbücher der Fall ist.
Aber man würde Stahl mit solcher Unterstel-
lung bittres Unrecht tun; denn gerade diesmal
liegt der Hauptnachdruck auf dem Text, der
Aufbau und Stufung hat und für den die Bil-
der nicht mehr als reines Mittel der Anschau-
ung sind. Eben darum auch ist hier literarisch
und reproduktionstechnisch eine so vollkom-
mene Harmonie erreicht, wie man sie vordem
selten kannte. Der Text setzt sich wie von un-
gefähr zu dem Bild in Beziehung, fast unge-
wollt, und dieses stützt andererseits die Ima-
gination des Wortes. Denn zuerst — wie gesagt
— kommt es auf das Wort an und das schreibt
ein Mann, der Paris nicht nur liebt, sondern
dem das Erleben dieses architektonischen
Kunstwerkes höchster Genuß bedeutet. Dies

Stahlseile „Paris“ ist ein Epos auf die Steine
dieser Stadt, auf ihren architektonischen Or-
ganismus, auf ihr städtebauliches Werden,
kurz auf das, was dieser alten Kulturstadt die
Unterscheidung von jeder anderen Großstadt
Europas sichert, was ihr größter und deshalb
fast undefinierbarer Reiz ist. Stahl gibt keinen
Hymnus verliebter Dichterzungen, sondern
Kunstgeschichte und Stilkritik und doch hört
er die Musik, die voll ist von den Rhythmen
des Raums und des Lebens. Ein eigenes, ein
sehr kluges, ein von reinstem Lebensgefühl
durchtränktes Buch; ein Kunstwerk im klei-
nen. Biermann
ERNST BENKARD: DAS SELBSTBILDNIS
VOM 15. BIS ZUM BEGINN DES 18.
JAHRHUNDERTS. Verlag Heinrich Kel-
ler. Berlin 1927.
Seinem erfolgreichen Buch über die Toten-
masken: Ernst Benkard: Das ewige Antlitz,
Frankfurter Verlagsanstalt, Berlin 27 (siehe
Cicerone 1927, S.3g4), hat der Frankfurter
Kunstforscher eines über die Bildnisse der Le-
benden folgen lassen, das die gleiche Höhe der
geistigen und künstlerischen Einstellung hat
und auch viel unbekanntes Material erschließt.
Der Gedanke, in solcher Form einmal das
Künstlerselbstporträt zu durchforschen und
zeitlich geordnet dem Betrachter vorzuführen,
ist deshalb so glücklich, weil sich hinter diesen
Selbstbekenntnissen ihrer Schöpfer zugleich
auch das Bild der Kunst selbst verbirgt, die
des einzelnen Exponenten sowohl wie der Zeit.
Das hat Benkard sehr scharfsichtig erkannt,
und diese Tatsache wird ihm Ausgangspunkt
für seine kunstphilosophischen Betrachtungen,
bei denen er der durch den Auftrag und die
Umwelt bedingten Unfreiheit des Künstlers
im Quattrocento, die erste Entfaltung des
Selbstgefühls in dem schon individualistisch
gewordenen 16. Jahrhundert gegenüberstellt.
Die soziale Emanzipation des Künstlers bringt
sodann auch die Emanzipation des Gefühls,
das sich z.B. sehr potenziert in den Selbstbild-
nissen des 17. Jahrhunderts ausprägt.
Gerade diese tiefgründigen Betrachtungen sind
von den Tafeln nicht zu trennen und machen
das Buch zu einer Fundgrube neuer Erkennt-
nisse. Auch nach Zahl und Qualität der Repro-
duktionen und hinsichtlich der buchtechni-
schen Qualität hat das schöne Werk jedes Lob
verdient. Biermann

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