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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 9
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Schubring, Paul: Sechs Bilder aus dem Meleager-Mythus
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0326
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Abb. 5. Michele da Verona

Althaias Rache
New York, Durlacher

schließt, mag bei solchen Truhenbildern der stille Wunsch, daß auch diese neue
Ehe, für die die Truhen gemalt wurden, gesegnet sein möge, mitgesprochen haben.
Seltsamer bleibt die Wahl des Meleagergeschickes. Ich glaube, zwei Gesichts-
punkte haben dabei mitgesprochen. Einmal ist es eine Geschichte, in der ein
Mädchen etwas vollbringt, was die stolzesten Helden nicht fertigbringen —
nicht Castor und Pollux und die andern alle, sondern eben Atalante bringt dem
Eber die erste Wunde bei und bekommt dafür als Siegespreis den Kopf des
Ebers. Daneben aber spielt das Benehmen der Mutter Althaia eine wichtige
Rolle. Sie läßt den eigenen Sohn sterben, um an ihm den Tod ihrer Brüder
zu rächen. Groß und erschütternd klingt ihre Klage bei Ovid, ihr Herz wird
hin und hergerissen, aber schließlich holt sie das Scheit doch hervor. Es ist ja
ein von der Sage des Südens wie des Nordens oft berührtes Problem: wer steht
der Frau näher, der Mann oder Sohn — oder der Bruder? Zu diesem zieht sie
der Blutbann 5 der Gatte bleibt schließlich freie Wahl. Hier freilich handelt es
sich nicht um den Gatten, sondern um den eigenen Sohn, der doch demselben
Blut entstammt. Medea tötet den Bruder, um mit dem Gatten zu entfliehen5
sie tötet die Kinder, um den treulosen Gatten zu strafen. Hier tötet eine
Mutter den Sohn, um die Brüder zu rächen. Wir denken an die grauenvollen
Kataloge, die Hygin zusammengestellt hatte: quae impiae fuerunt, quae contra
fas concubuerunt, qui cognatos suos occiderunt, qui soceros et generös occide-
runt, qui filios suos in epulis consumpserunt, matres quae filios interfecerunt.
Dies letztere Kapitel (cap. 23 g) nennt Medea, Procne, Ino, Themisto, Tyro, Agave,
Harpalyce neben: »Althaea Thestii filia Meleagrum ex Oeneo Parthaonis filio,
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