Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0327
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Heft 9
DOI article:Schubring, Paul: Sechs Bilder aus dem Meleager-Mythus
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Abb. 6. Michele da Verona Die Versöhnung Dianas
New York, Durlacher
quod is avunculos suos occiderat«. Ist es zu modern gedacht, wenn die junge
Frau am Hochzeitstag dem innig geliebten Bruder durch das Bild andeuten
will: lieber Bruder, du verlierst mich nicht, ich bleibe dir durch Blut, Jugend
und Erinnerung bis zum Tode herzlich nahe?
Nachdem das stoffliche Interesse gestillt ist, gehen wir an die Betrachtung der
einzelnen Bilder.
1. Die Schicksalsweihe des kleinen Meleager. Marmorbauten im Rund
und Quadrat als linke Seitenkulisse5 großer steinbelegter Hof mit Stufen zur
oberen Terrasse; Durchblick auf Ebene und Höhen. In der Mitte ein steinerner
Altartisch mit nackten hockenden Frauen an den Stützen. Zu dem Feuer des
Altars bringt Althaia den sieben Tage alten Sohn5 bei ihr eine Dienerin, ihr
Gatte Oineus und zwei ihrer Brüder. Von rechts kommen die drei Parzen, als
junge Mädchen gekleidet, die den Faden spinnen, messen und reißen. Der
Augenpunkt liegt außerhalb des Bildes, in der Höhe der Tafel, aber um die
Pfeilerbreite links nach rechts herausgeschoben.
2. Oineus versäumt Diana zu opfern. Dieselbe Landschaft wie auf Abb. 1}
rechts oben die BurgKalvdon, im Stil oberitalienischer Schlösser, z. B. desjenigen
von Ferrara. Anf einem steinernen Sockel steht die Bronzestatue der Göttin
Diana, der zwar drei Kavaliere und vier Mädchen Garben bringen, nicht aber
der König Oineus. Vergebens warnen zwei alte Hofleute und zwei Pagen vor
solcher Beleidigung. Auch die beiden Pagen ganz rechts sehen betroffen drein.
Sehr breiter Schauplatz} rechts lagern zwei Bulldoggen.
5. Die Eber jagd. Dieselbe Landschaft} diesmal wird ein ganzes Stadtbild sicht-
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