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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 12
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Kunst-Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0443
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KUNST-LITERATUR

RUDOLF BERLINER: ORNAMEN-
TALE YORLAGEBLÄTTER DES
i5. BIS i 8. JAHRHUNDERTS. Drei
Bände mit 45o Tafeln in Lichtdruck. Leip-
zig, Klinkhardt & Biermann. 1926.
Autor und Verlag haben der Kunstwissenschaft
und der praktischen Kunstforschung mit die-
ser Publikation ein Werk von nicht zu über-
schätzendem Wert beschert. 45o Tafeln, die
meisten mit einer Mehrzahl von Ornamentsti-
chen bedacht, verteilen sich auf vier stattliche
Abbildungsbände, denen sich ein fünfter als
Textband zugesellt, also schon rein dem Um-
fang nach betrachtet ein Werk, das alle ähn-
lichen Veröffentlichungen weit hinter sich
läßt. Das wäre vielleicht an und für sich kein
allzugroßes V erdienst, schlösse nicht der ganze
systematische Aufbau und der wissenschaft-
liche Text des Werkes auch jeden Vergleich
mit verwandten Vorläufern des In- und Aus-
landes aus.
Berliner zieht das Gesamtgebiet des Ornament-
stiches in den Bereich seines Werkes, von den
Anfängen des Stiches bis zum Beginn der
historisierenden Stile. Dabei beschränkte sich
der Autor auf Einzelblätter und lose Folgen
von Stichen, die ohne Rücksicht auf bestimmte
besondere Bedürfnisse irgendeiner Werkstatt
oder eines Handwerkszweiges lediglich nur
gute mustergültige Beispiele ihrer Zeit vermit-
tiln wollten. Spezialvorlagen für besondere
handwerkliche Endzwecke schieden aus. Dem
begleitenden Text fiel in erster Linie eine
möglichst genaue Ansetzung der zeitlichen
Grenzen zu.
Wer je gezwungen war, mit Ornamentstichen
zu arbeiten, weiß, daß selbst die reichst aus-
gestatteten Kabinette nur über höchst frag-
mentarische Bestände verfügen und daß in-
folgedessen eine Recherche von Anfang an
zum mindesten mit einem problematischen
Erfolg rechnen mußte. Berliners Ernte aus
fast allen in- und ausländischen graphischen
Sammlungen gibt uns nun ein Quellenmate-
rial an die Hand, das unsere Erkenntnis von
der Entwicklung des Ornamentstiches und von
den Spielarten besonderer Motivgattungen in
ungeahntem LTmfang bereichert und vertieft
und das damit zugleich zu einem unentbehr-
lichen Hilfsmittel für die Erforschung der
ornamentalen Formen in ihrer praktischen
Verwendung im Kunsthandwerk sich erweist.
Der Reichhaltigkeit des Abbildungsmaterials,
das in der Berücksichtigung nicht nur der

wichtigsten Meister und Gruppen, sondern
auch abgelegener, nicht selten gänzlich unbe-
kannter Vorlagen einer Vollzähligkeit gleich-
kommt, stehen zur Seite die „Tafelerklärung“
und ein „Begleitwort“, Kapitel, die hinter der
Nüchternheit ihrer Titel auch nicht im ent-
ferntesten eine Ahnung von der Gründlich-
keit und kritischen Aufbereitung dieses Roh-
materials vermuten lassen und in denen ich
— trotz der bescheidenen selbstkritischen Ein-
stellung des Autors —- zwar nicht eine uns
fehlende Ornamcntgeschichtc, aber einen voll-
wertigen Ersatz einer solchen erblicke. Jeden-
falls tragen die den rein katalogmäßigen An-
gaben beigefügten Notizen und historischen
und stilkritischen Ausführungen der „Tafel-
erklärung“ und das genetisch-historisch auf-
schlußreiche und feinsinnig den Wandel und
die Verbindung der einzelnen Ornamentfor-
men und Srömungen zusammenfassende „Be-
gleitwort“ bereits die fundamentalen Ele-
mente einer Ornamentgeschichte klar ersicht-
lich in sich. Ich glaube den „Ornamentalen
Vorlageblättern“, denen der Verlag die groß-
zügigste und sorgfältigste Ausstattung ange-
deihen ließ, nach ihrer wissenschaftlichen Be-
deutung hin kein besseres Geleitwort widmen
zu können als den Wunsch, daß Rudolf Ber-
liner uns „die Geschichte“ des Ornamentes
bescheren möchte. Wenn einer, ist er der Be-
rufene. Philipp M. Halm
EMIL NOLDE: BRIEFE AUS DEN JAHREN
1894—1925. Herausgegeben von Max Sauer-
landt. Furche-Verlag. Berlin 1927.
Die gesammelten Briefe zeigen wie in einem
schwachen Reflex das Bild des Künstlers, das
die Gemälde weit großartiger und gelöster ge-
ben. Man erkennt auch in den Briefen, daß
Nolde keineswegs modern in einem neuzeit-
lichen Sinne ist. Die Welt der Technik, der
Fabriken, des Sports ist ihm so fern, als ob er
auf einer jener Südseeinseln hauste, die er ge-
malt hat. Er verdankt der Moderne, dem Ex-
pressionismus, nur das Recht außerhalb der
Tradition seine eigene, künstlerische Sprache
zu sprechen, die ihm urtümliche Vision von
Gott und Mensch in Farbe und Licht zu geben.
In diesen Briefen drückt sich sowohl die Ab-
kehr von der rationellen Betriebsamkeit des
heutigen Durchschnittsdaseins als auch der
tiefe Glaube an die heiligen Mächte der Kunst
aus. Sie offenbaren trotz ihrer schwerfälligen,
eintönigen und oft sonderlichen Sprachform

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