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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 16
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Steinbart, Kurt: Die Gemälde auf der Ausstellung "Religiöse Kunst aus Hessen und Nassau"
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0568
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damit des 15. Jahrhunderts überhaupt unterstützt wird, spricht für den voll-
zogenen Stilumbruch und den vollen Beginn des deutschen Manierismus mit
stark dekorativer Tendenz, wie sie sich in Augsburg bei Burgkmair unter Ein-
wirkung Venedigs durchgesetzt hatte. Dabei macht sich die nordniederländische
Art vielerorts bemerkbar, tritt wohl am klarsten im Figürlichen durch und wird
vielleicht am ersten in der Gestalt der Frau faßbar, die in der oberen Szene
des rechten Flügels auf der Haustreppe stehend dem Pilger Wendelin das Brot
reicht.
Derart eng berührt sich der Maler der Butzbacher Flügel mit dem Meister von
1503, dessen auf der oberen Rahmenleiste datierte Trinität aus Kloster Alten-
berg1 vom Frankfurter Stadel der Ausstellung zur Verfügung gestellt wurde,
daß die Versuchung nahe liegt, beiderseits an ein und dieselbe Hand zu den-
ken. Die Verschiedenheiten, gegeben, da das Altenberger Bild spätgotische Reste
enthält, die auf den um 1525 anzusetzenden Butzbacher Flügeln verschwun-
den sind, könnten innerhalb der Entwicklungsmöglichkeiten eines Künstlers
beschlossen sein und es mangeln augenblicklich nur die Zwischenstücke, um
die Wahrscheinlichkeit der Vermutung zu erhöhen. Noch von einer anderen
Seite fällt Licht auf die Frage der Lokalisierung. Ein Flügelaltar der Münche-
ner Pinakothek2 mit der Anbetung des Kindes im Mittelfelde und den Heiligen
Johannes Evangelista und Hieronymus auf den Flügeln, aus der Stiftskirche zu
Aschaffenburg stammend, im ersten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts entstanden,
bietet positive Vergleichsmöglichkeiten hinsichtlich eines recht ähnlichen Schaf-
fens. Es erscheint nicht gut denkbar, daß ein Kopftypus gleich dem des Johan-
nes Evangelista von plastischem Format mit der eigentümlich gebogenen raub-
vogelartigen Nase einem anderen Gebiete entstammt, als der Wendelins mit
genau denselben Eigentümlichkeiten. Nur neigt der Maler des Aschaffenburger
Triptychons in Einigem zum Oberrhein, wenn mir auch seine Identifizierung
mit dem angeblich Baseler Meister D. S. keineswegs überzeugend deucht3. Dem
Kulturgebiet des Mittelrheins hinsichtlich anschaulicher Formulierung unver-
rückbare Eigentümlichkeiten aufzuoktroieren, dürfte ein vergebliches Bemühen
bleiben. Es fließen hier so zahlreiche Strömungen zusammen, daß dem Begriff
des Mittelrheines am besten gedient wird, wenn man ihn gleitend zu fassen
bestrebt ist. So weitet sich auch hier wieder die Anschauung ganz im Sinne
eines vielgestaltigen künstlerischen Lebens, indem neben die glücklich von
Büchner4 zusammengestellten Kreise eine neue, nur weniger qualitätvolle
Werkstatt rückt.
1 Nr. 93 des provisorischen Ausstellungskataloges. H. 10g cm, B. 132 cm.
2 Nr. 1604 a—c des Kataloges von igi3-
3 Die Identifizierung stammt von Rieffel, Kunstchronik XIX, Sp, 321 und fußt auf dem
von C. Dodgson publizierten Material: Die Holzschnitte des Baseler Meisters D. S., Jahr-
buch der Preußischen Kunstsammlungen XXVIII, igo7, S. 21 ff.
4 E. Büchner, Studien zur Mittelrheinischen Malerei und Graphik der Spätgotik und
Renaissance, Münchener Jahrbuch IV, ig27, S. 22g ff.

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