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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 18
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Rundschau
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Johann Wilhelm Schirmer (1807—1869) Italienische Landschaft (105x620111)
Ausgestellt in der Galerie Amsler & Ruthardt, Berlin W 8

nig umkreis ter Erlebnissphäre, auf Frau, Kind,
Garten, Spiel und die erschrockenen Einsam-
keitsgesichte des Spiegels inständig konzen-
triert, Die Tiefe des Privaten, fanatisiert noch
durch den Tod der Lebensgefährtin, der jun-
gen Mutter in diesen Bildern, erschüttert, ob
sie schmerzlich fahl auf schimmert oder in
Sommerfärbenfreude sanft erflammt. Da ist
immer wieder der kleine blasse Junge, hin-
gegeben an die buntblinkend aufgebauten
Bleisoldaten, neben dem Vater, mystisch be-
klommen in seiner schwarzen, spitz tätigen Ma-
giermütze, anstaunend die gleißenden Reflexe
einer Glaskugel im Gartengrün, still hervor-
tauchend aus dem Grase im leuchtenden In-
dianerfedernschmuck. Da ist zwar Blumen-
glanz, sonnig erwärmtes Sprühen, — von be-
sonderem Duft, besonderer Reinheit im
schwüngig behandelten und doch stets das Un-
nennbare streifenden Pastellstück. Aber da-
hinter das bläulich zarte Licht hoher Frauen-
stirn, der bleiche Schein der Totenmaske im
Nocturno gespenstischer Gasbeleuchtung. Von
jeder Blüte, jedem Ding, jedem Antlitz geht
bei Ilerbig eine schwebende Helle aus, die sub-
tilste Schönheit und darüber hinaus das hei-
lige Moment dieser Kunst. Erfährt man, daß
auch der kleine Junge jetzt sterben mußte,
der überall hier ihre Mitte ist, so weiß man
entsetzt, wie das ihr Herz trifft. -—-
Außerdem stellt Möller den jungen Wolf
II offmann vor, eine sicherlich hegenswerte

Begabung, die den offenkundig entscheiden-
den Eindruck Munch noch selbständiger ver-
arbeiten wird. Die Schwingung dieser inner-
lich ganz auf die Ausgeglichenheit fließenden
Verweilen« gerichteten Bilder flackert noch,
die Fläche braucht mehr ruhige Kontinuität,
um Tiefenresonanz zu gewinnen. Ferner fin-
den sich einige sehr feine Köpfe und Studien-
blätter des Plastikers J'ussuff Abbo, fas-
zinierend durch ihre edle Spröde.
In der Galerie Thannhauser gehört ein
Saal Nachlaßbilder von Waldemar Rös-
ler (1882 bis 1916), dem entwicklungsge-
schichtlich in seinem expressiven Hinausstre-
ben über lichtgelöste Unwucht zu leuchtender
Heftigkeit, als Übergangsersclieinung zwischen
Liebermann und e twa Kokoschka wesentlichen
Sezessionisten. Das Ungestüm seiner JNatur-
auffassung konnte sich in einer fegenden Dik-
tion und in koloristischen Steigerungen ent-
laden, die immer noch zünden. Öffentliche
Sammlungen sollten nicht darauf verzichten,
etwas von diesem seinerzeit vorausweisenden
Maler zeigen zu können. Wolfradt
DIE XVI. BIENNALE IN VENEDIG
Diese Ausstellung lehrt, daß es mit der soge-
nannten international-europäischen Kunst
noch gute Weile hat. Sogar die drei lateini-
schen Schwestern sind einander in nichts ähn-
lich. Aber es darf nicht verkannt werden, daß
sich diesmal die neue Kunst Italiens von einer

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