Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0725
DOI Heft:
Heft 21
DOI Artikel:Grunwald, Marc: Betrachtungen zum Isenheimer Altar des Matthias Grünewald
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Abb. 5
II. ERHALTUNG UND MALTECHNIK
Wenngleich einige der Gemälde des Altars deutliche Spuren von Verfall zeigen,
so ist doch im allgemeinen noch heute die Leuchtkraft und Lrische der Larben
von seltener Schönheit. Das ist um so bemerkenswerter, als den Gemälden erst
seit verhältnismäßig kürzerer Zeit mehr Sorgfalt und sachgemäße Pflege zu-
teil werden konnte, während die meisten bedeutenden Werke alter Meister seit
langem in den Galerien unter viel günstigeren Raumverhältnissen die pein-
lichste Überwachung erfuhren.
Wie Professor H. A. Schmid, Basel, in seinem großen Grünewald-Werk nach-
gewiesen hat, befand sich der Altar seit seiner Entstehung um 1510 bis zur
französischen Revolution in der Kapelle des Isenheimer Klosters. 1794 wurden
die Tafeln und Skulpturen vor der allgemeinen Zerstörung kirchlicher Kunst-
schätze von einigen Kommissaren gerettet und nach Colmar gebracht. Hier
fanden sie bis 1852 provisorisch in einem Bibliothekssaal Aufstellung und kamen
dann in die als Museum eingerichtete Kapelle des Klosters Unterlinden.
Wir verdanken die wunderbare Erhaltung der Tafeln, welche durch Jahr-
hunderte den Einflüssen von Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen, von
Staub, Rauch und zu hellem Sonnenlicht ausgesetzt waren, in erster Linie der
vollendeten Malweise. Es vereinigen sich in diesem Begriff die gründliche
Kenntnis der vorzüglichsten Farbpigmente und Bindemittel mit der Weisheit
der Methode ihrer rein stofflichen Anwendung und genialen Handhabung zur
künstlerischen Gestaltung. Wenn es auch nicht gelungen ist, die Methoden
des maltechnisch und handwerklich hohen Könnens der Werkstätten ange-
sehener Meister um 1500 über die Jahrhunderte hinweg unvermindert auf
unsere Zeit zu bringen, so kann man doch nach den erhaltenen Tafeln in vielen
Fällen Schlüsse ziehen auf die Art und Zusammensetzung des Materials; hin-
gegen wird man bei diesen Untersuchungen bezüglich der Tafen des Isen-
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