Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0760
DOI Heft:
Heft 22
DOI Artikel:Avermaete, Roger: James Ensor / Der Graphiker
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James Ensor
Les Gensdarmes. 1888 (17,5x25,5 cm)
Es bedarf kaum der kritischen Prüfung dieser Behauptung, um festzustellen,
daß — welches auch immer der persönliche Anteil Ensors an der Erneuerung
der Malerei gewesen sein mag — es dieser nicht war, der in erster Linie jene
schrecklichen Zornesausbrüche über das Ensorsche Werk entlockt hat: Die
gehen vielmehr auf das Konto des Zeichners und des Radierers. Natürlich darf
das Ästhetische nicht sehr ins Gewicht fallen. Der Unkundige muß sich klar
sein, daß er sich Werken ungebräuchlicher Faktur gegenüber befindet. Wenn
es sich um diese eine Eigenartigkeit handelte, würde er, je nach der Anlage,
entweder verärgert oder irritiert darüber sein, das heißt sein Widerstand wäre
der gleiche, der Radierung sowohl wie der Zeichnung oder dem Ölbild gegen-
über. Aber es kommt für die Denkweise eines blöden Gehirns der unglückliche
Umstand hinzu, daß Ensor in seinem graphischen Werk fast immer satirisch
ist. Sein zersetzender Geist ergeht sich auf Kosten aller Vorurteile, aller Dumm-
heiten, der Einrichtungen sowohl wie der Dummköpfe selbst. Das gute Publi-
kum, das sich gern das Recht anmaßt, einen Künstler »ex cathedra« zu ver-
dammen, weil er seine Gewohnheiten verletzt, begreift nicht, daß dieser Künstler
sich dadurch an ihm rächt, daß er es zum Besten hat. Und Ensor hat es
allerdings zum Besten. Bei aller Beschränktheit seines Gesichtskreises fehlt es
dem Bürger doch nicht an gesundem Menschenverstand, und der Künstler mag
noch so sehr versuchen, ritterliche Helden, Könige und andere hohe Persön-
lichkeiten mit der Maske Betrunkener und Schlemmer zu belasten, der Bürger
Les Gensdarmes. 1888 (17,5x25,5 cm)
Es bedarf kaum der kritischen Prüfung dieser Behauptung, um festzustellen,
daß — welches auch immer der persönliche Anteil Ensors an der Erneuerung
der Malerei gewesen sein mag — es dieser nicht war, der in erster Linie jene
schrecklichen Zornesausbrüche über das Ensorsche Werk entlockt hat: Die
gehen vielmehr auf das Konto des Zeichners und des Radierers. Natürlich darf
das Ästhetische nicht sehr ins Gewicht fallen. Der Unkundige muß sich klar
sein, daß er sich Werken ungebräuchlicher Faktur gegenüber befindet. Wenn
es sich um diese eine Eigenartigkeit handelte, würde er, je nach der Anlage,
entweder verärgert oder irritiert darüber sein, das heißt sein Widerstand wäre
der gleiche, der Radierung sowohl wie der Zeichnung oder dem Ölbild gegen-
über. Aber es kommt für die Denkweise eines blöden Gehirns der unglückliche
Umstand hinzu, daß Ensor in seinem graphischen Werk fast immer satirisch
ist. Sein zersetzender Geist ergeht sich auf Kosten aller Vorurteile, aller Dumm-
heiten, der Einrichtungen sowohl wie der Dummköpfe selbst. Das gute Publi-
kum, das sich gern das Recht anmaßt, einen Künstler »ex cathedra« zu ver-
dammen, weil er seine Gewohnheiten verletzt, begreift nicht, daß dieser Künstler
sich dadurch an ihm rächt, daß er es zum Besten hat. Und Ensor hat es
allerdings zum Besten. Bei aller Beschränktheit seines Gesichtskreises fehlt es
dem Bürger doch nicht an gesundem Menschenverstand, und der Künstler mag
noch so sehr versuchen, ritterliche Helden, Könige und andere hohe Persön-
lichkeiten mit der Maske Betrunkener und Schlemmer zu belasten, der Bürger