Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928
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Heft 22
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in Messingschienen, — gelangt in Operations-
saal, Bar, Laboratorium, Hotelbad mit Brause-
kammer. Eine AVelt kühl spiegelnder Glätte,
einleuchtend als Realität von morgen. Linsen,
geblasene Kühlschlangen, Glasaugen, Retor-
ten; Vitrinen mit IIaushaltgläsern jeder Form,
Flaschen, Schalen, außerordentlich gut grup-
piert. Eine Sonderabteilung „Die neue Küche”
mit einer Reihe schmaler, nach dem Prinzip
der festen Platzzuweisung eingerichteter An-
lagen erlaubt, weitere Funktionen des Glases
darzustellen. Dann auch Vasen, Becher,
Schliff- und Schnittkünste, Glasstickereien
und geblasene Figuren. Thüringer Christ-
baumschmuck hängt in bunten Schnüren,mär-
chenhaft aufgefangen von buntreflektierenden
Kugeln. Auch die Mosaiktechnik erscheint mit
eigenartigen Versuchen auf dem Plan. Aber
all das tritt nicht eigentlich als virtuose Man-
nigfaltigkeit auf, es konvergiert im Bekennt-
nis zum Glas als dem neuen Element einer
neuen Daseinsstimmung.
Dem fünfzigjährigen Karl Hofer, gebürti-
gen Badener, hat zunächst die Mannhei-
mer Kunsthalle unter der klugen und nie
erlahmenden Initiative von G. F. Hartlaub
die Ehrung einer umfassenden Veranschauli-
chung seines Bildschaffens erwiesen; dann hat,
gemeinsam mit der Galerie Flechtheim,
die Berliner Sezession die bis 1906 zu-
rückführende Folge seiner Werke übernom-
men. Die Geschlossenheit, die jedes von ihnen
aus geistiger Intensität und durch Zucht der
Formung erreicht, eignet, ohne sie einzu-
schränken, in ganz zwingender Weise auch
der Gesamterscheinung. Ebenso stark wie die
konsequente Stilkraft spricht, gerade nun hier,
die Einheitlichkeit des Grunderlebnisses an,
das stets das Umschlossensein und die Abson-
derung der Existenz, die dumpfe Unverrück-
barkeit und fundamentale Gelassenheit ihres
Verharrens begreift. Die Formel kann gleich-
wohl nur auf das Zentrum eines mächtigen in-
neren Umfangs zielen; Hofers schwere Ruhe,
Substanz aller seiner Bilder, ist unbeschwich-
tigt, vulkanisch, eine Art von Besessenheit. Im
Überblick erkennt man besser denn je das Vo-
lumen dieser Kunst.
Karl Schmidt-Rottluff weist in seinen
neuen Arbeiten, die man in der Galerie Ferd.
Möller betrachtet, eine fruchthafte Reife,
die den schrofferen Steilzug des früheren
Schaffens keineswegs dementiert. Seine ab-
schüssige Kraft erscheint nur zum Kreis ge-
Aristide Maillol Der tote Soldat. Bronzerelief
Ausgestellt in der Maillol-Ausstellung der Galerie Flechtheim, Berlin
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saal, Bar, Laboratorium, Hotelbad mit Brause-
kammer. Eine AVelt kühl spiegelnder Glätte,
einleuchtend als Realität von morgen. Linsen,
geblasene Kühlschlangen, Glasaugen, Retor-
ten; Vitrinen mit IIaushaltgläsern jeder Form,
Flaschen, Schalen, außerordentlich gut grup-
piert. Eine Sonderabteilung „Die neue Küche”
mit einer Reihe schmaler, nach dem Prinzip
der festen Platzzuweisung eingerichteter An-
lagen erlaubt, weitere Funktionen des Glases
darzustellen. Dann auch Vasen, Becher,
Schliff- und Schnittkünste, Glasstickereien
und geblasene Figuren. Thüringer Christ-
baumschmuck hängt in bunten Schnüren,mär-
chenhaft aufgefangen von buntreflektierenden
Kugeln. Auch die Mosaiktechnik erscheint mit
eigenartigen Versuchen auf dem Plan. Aber
all das tritt nicht eigentlich als virtuose Man-
nigfaltigkeit auf, es konvergiert im Bekennt-
nis zum Glas als dem neuen Element einer
neuen Daseinsstimmung.
Dem fünfzigjährigen Karl Hofer, gebürti-
gen Badener, hat zunächst die Mannhei-
mer Kunsthalle unter der klugen und nie
erlahmenden Initiative von G. F. Hartlaub
die Ehrung einer umfassenden Veranschauli-
chung seines Bildschaffens erwiesen; dann hat,
gemeinsam mit der Galerie Flechtheim,
die Berliner Sezession die bis 1906 zu-
rückführende Folge seiner Werke übernom-
men. Die Geschlossenheit, die jedes von ihnen
aus geistiger Intensität und durch Zucht der
Formung erreicht, eignet, ohne sie einzu-
schränken, in ganz zwingender Weise auch
der Gesamterscheinung. Ebenso stark wie die
konsequente Stilkraft spricht, gerade nun hier,
die Einheitlichkeit des Grunderlebnisses an,
das stets das Umschlossensein und die Abson-
derung der Existenz, die dumpfe Unverrück-
barkeit und fundamentale Gelassenheit ihres
Verharrens begreift. Die Formel kann gleich-
wohl nur auf das Zentrum eines mächtigen in-
neren Umfangs zielen; Hofers schwere Ruhe,
Substanz aller seiner Bilder, ist unbeschwich-
tigt, vulkanisch, eine Art von Besessenheit. Im
Überblick erkennt man besser denn je das Vo-
lumen dieser Kunst.
Karl Schmidt-Rottluff weist in seinen
neuen Arbeiten, die man in der Galerie Ferd.
Möller betrachtet, eine fruchthafte Reife,
die den schrofferen Steilzug des früheren
Schaffens keineswegs dementiert. Seine ab-
schüssige Kraft erscheint nur zum Kreis ge-
Aristide Maillol Der tote Soldat. Bronzerelief
Ausgestellt in der Maillol-Ausstellung der Galerie Flechtheim, Berlin
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