Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928
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Heft 22
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W. Kandinsky Drei Klänge. 1926
»Neue Kunst Fides«, Dresden
fenszeit werden gezeigt. Die ruhige Zuständ-
lichkeit und temperamentlose, unpathetische
Haltung der Bilder spiegeln zugleich das nie-
mals durch Chaos und Weltkrieg hindurchge-
gangene Leben dieser Nation. Die Stille und
Geordnetheit alles Dargestellten erwuchs aus
gleichmäßigem Wohlstand und zufriedener
Sättigung.
Am charakteristischsten für die holländische
Mentalität sind vor allem Bilder des ehemali-
gen Diamantschleifers Sal. Meijer: nicht un-
mittelbar lebendig und pulsierend, sondern
seltsam verglast und distanziert, jedoch un-
konventionell gesehen; wunderbar geordnet
und alle Detailmalerei groß zusammengenom-
men zu klaren Flächen. Die Farbgebung un-
terwirft sich der gleichen Anordnung und ist
auf fast allen Bildern verhalten und bevor-
zugt Braun, Gelb und feine Graunuancierung.
— Ilynckes, Schwarz, Schuhmacher und Ki-
chert zeigen großformatige Stücke mit schar-
fen Konturen der Dinge und Menschen, sehr
unsinnlich in raumloser Herausstellung. —
Die Malweise ist durchweg außerorden tlich ge-
diegen mit holländischer Sorgfalt und Sauber-
keit. Besonders Lauimponiert durch ausgezeich-
netes malerisches Können. —- Den stärksten
Eindruck hinterläßt zweifellos des jung ver-
storbenen Manckes „Selbstporträt im Spiegel“.
In ganz hellen, aber kalten Farben wird es zur
Vision seines frühen Sterbens und erreicht mit
sparsamsten Mitteln in der Bildkomposition
jenen suggestiven Eindruck von Unerbittlich-
keit und letzter Bereitschaft. Stirnemann
EIN JAHRHUNDERT FRANZÖSISCHER
KUNST
Dies ist der Titel einer soeben in New York bei
M. Kno edler eröffneten Ausstellung, an de-
ren Zustandekommen außer den Inhabern der
Galerie noch E t i e n n e B i g n o u und die Fir-
ma Reid & Lefevre (London) hauptsäch-
lich beteiligt waren. Die Schau umfaßt 52
Werke französischer Künstler des vergangenen
und gegenwärtigen Jahrhunderts und wurde in
vier Hauptgruppen gegliedert.
Von den Malern der Barbizon-Schule ist Co-
rot mit drei Bildern vertreten, die wirksam
seine Entwicklung von i834 („Venise“) bis zu
den 70er Jahren illustrieren. („Judith“ und
„Le Lac de Garde“.) Die Absicht der Veran-
stalter, Maler durch Werke verschiedener
Schaffensperioden oder Sujets möglichst viel-
seitig zu erfassen, kommt auch bei Courbet
zum Ausdruck, der mit einer Landschaft („La
Villa du Duc de Morny, Deauville“, 1869)
und mit einem starken Kopf („La Belle Ir-
landaise“) vertreten ist. Aus der Barbizon-
Schule finden wir ferner Werke von Boudin,
Daumier (mit „La Ronde“, ,,La Parade des
Saltimbanques“ und „Les Amateurs d’Estam-
pes“), Fantin-Latour und J. F. Millet, die
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