gisch haltbar zu sein. Dies gilt um so mehr,
da ja auch die Malerei auf keinem besonderen
Postament mehr steht. Im 19. Jahrhundert
hatte die Malerei noch einen gewissen idealen
Glorienschein, seit ihr der fehlt, haben die
jährlichen Bilder anhäuf ungen, die früher
noch einen Sinn als ideale Manifestationen
hatten, ihren eigentlichen Untergrund verlo-
ren. Die heutige Produktion ist bis auf ganz
wenige Namen sinnlos geworden, und es ist
damit zu rechnen, daß in den nächsten Jahren
sich immer mehr Maler die Frage stellen wer-
den, ob sie berechtigt sind, weiter ihre Kunst
oder ihr Handwerk zu treiben. Der Gesamt-
entwicklung der Kunst kann diese Fragestel-
lung nur von Nutzen sein.
Im September kam die Gedächtnisausstellung
von Frank Buchser (1828 bis 1890), dem
Begründer der Schweizer ,,Salons“, auch in
das Züricher Kunstbaus. Mit viel Mühe und
großer Gewissenhaftigkeit reinigte Wartmann
die Ausstellung von den schlimmsten Schlak-
ken (das Eidgen. Departement des Innern
hatte gerade Buchser unter seinen Schutz ge-
nommen) und vermehrte sie durch unbekannte
Produktion.
Als Typ des Durchschnittsmalers um die
Jahrhundertmitte ist Buchser durchaus inter-
essant. Man könnte ihn zum Mittelpunkt einer
Studie machen, die an seiner Person die Eigen-
schaften des vergangenen Jahrhunderts pracht-
voll klarzulegen vermöchte: Sentimentalität,
Wahllosigkeit der Mittel, verlogenes Pathos,
sympathisch-unbekümmertesDraufgängertum.
Dazwischen meldet sich in seinen Skizzen und
Porträts die positive Seite des Jahrhunderts
der Zeitung: Berichterstattung.
Als Maler ist dieser Zeitgenosse Manets aller-
dingsnichtallzuernstzunehmen. Er findet sein
Leben lang kein Gebiet, das er von Grund auf
durchblutet hätte, dazu fehlen ihm die Mal-
mittel! So zerflattert er zwischen Pose und
Postkartengeilheit.
Es stehen uns noch weitere Gedächtnisausstel-
lungen bevor — 1 92 8 bedeutet für den
Schweizer Kunstbetrieb durchaus Sta-
gnation: Die Toten leben auf Kosten der Le-
bendigen. Die Zeit, die in Bildung begriffen
ist, wird übersehen.
Kunsthaus im Oktober: Neben einigen loka-
len Malern, Gedächtnisausstellung des Neuen-
burger Malers G. Jeanneret (18/17 bis
1927). Jeanneret wurzelt gedanklich im so-
zialen Umkreis Millets. In seinen Hauptwer-
ken (Bahnarbeiter, Winzer, Proletarier) be-
dient er sich Ilodlerscher Gesten. Aber Kod-
ier hatte den Mut, seine Rhythmen, fast von
Farbe entblößt, rein herauszuschälen. Jean-
neret füllt seine Figuren, wie der damalige
Spießer es verlangte, mit süßlicher Koloristik.
Es bleibt nichts übrig als Pose. — Wir befin-
den uns damit im Niveau schlimmster Pro-
vinz. Was soll dies Niveau im Kunstbaus?
Wenn das Zürcher Kunstbaus weiterfährt wie
dieses Jahr, so wird es bald seinen künstleri-
schen Kredit eingebüßt haben.
Im Kunstgewerbemuseum veranstaltet Direk-
tor Altherr eine Photoausstellung von Ren-
ger-Patzsch. Es liegt zwar im ganzen Be-
griff der Photographie, daß „Einzelausstel-
lungen“ irgendwie widersinnig sind. Trotz-
dem ist man für die Bilder dankbar. Wenn
Ilenger-Patzsch ein Fragment eines Holzstoßes
herausgreift, und von der Kamera die Struk-
tur mit größerer Genauigkeit notieren läßt als
unser flüchtiges Auge sie auffaßt, so bedeu-
tet uns das mehr, als ein nur optisches Erleb-
nis. Allerdings wäre es vielleicht gut, wenn
Renger-Patzsch sich allmählich mehr auf ein
einzelnes Gebiet festlegte, anstatt sich in all-
zuviel Möglichkeiten zu versuchen.
Der Kunstsalon Neupert, der sich beträcht-
lich vergrößert hat, bot im Oktober eine
ziemlich umfangreiche Hotller-Ausstellung
mit über fünfzig Bildern und ungefähr gleich-
viel Zeichnungen aus allen Perioden. — Ausge-
zeichnet vertreten war der Landschaftier Kod-
ier, besonders in seiner Spätzeit. Die Zukunft
dürfte weniger seinen großen Kompositionen,
als einzelnen Werken seiner Frühzeit (Por-
trät) und den späten Landschaften gehören.
Hier gibt Hodler sich oft ganz unbefangen,
gegenüber den Landsknecht- oder Tanzszenen.
Schon heute erkennen wir ja bereits, wie viel
sie von der künstlichen Verkrampfung ihrer
Entstehungszeit mitbekommen haben. In ein-
zelnen frühen Bildern findet sich oft eine
merkwürdige, heute oft noch übersehene Mi-
schung von krasser Realität und kühner Ab-
straktionsfähigkeit. Manche Landschaften der
Spätzeit, falls sie nicht einem dekorativen
Hang verfallen, erscheinen in ihrer planen
Gestaltung von einer neuen Ruhe erfüllt.
Giedion
da ja auch die Malerei auf keinem besonderen
Postament mehr steht. Im 19. Jahrhundert
hatte die Malerei noch einen gewissen idealen
Glorienschein, seit ihr der fehlt, haben die
jährlichen Bilder anhäuf ungen, die früher
noch einen Sinn als ideale Manifestationen
hatten, ihren eigentlichen Untergrund verlo-
ren. Die heutige Produktion ist bis auf ganz
wenige Namen sinnlos geworden, und es ist
damit zu rechnen, daß in den nächsten Jahren
sich immer mehr Maler die Frage stellen wer-
den, ob sie berechtigt sind, weiter ihre Kunst
oder ihr Handwerk zu treiben. Der Gesamt-
entwicklung der Kunst kann diese Fragestel-
lung nur von Nutzen sein.
Im September kam die Gedächtnisausstellung
von Frank Buchser (1828 bis 1890), dem
Begründer der Schweizer ,,Salons“, auch in
das Züricher Kunstbaus. Mit viel Mühe und
großer Gewissenhaftigkeit reinigte Wartmann
die Ausstellung von den schlimmsten Schlak-
ken (das Eidgen. Departement des Innern
hatte gerade Buchser unter seinen Schutz ge-
nommen) und vermehrte sie durch unbekannte
Produktion.
Als Typ des Durchschnittsmalers um die
Jahrhundertmitte ist Buchser durchaus inter-
essant. Man könnte ihn zum Mittelpunkt einer
Studie machen, die an seiner Person die Eigen-
schaften des vergangenen Jahrhunderts pracht-
voll klarzulegen vermöchte: Sentimentalität,
Wahllosigkeit der Mittel, verlogenes Pathos,
sympathisch-unbekümmertesDraufgängertum.
Dazwischen meldet sich in seinen Skizzen und
Porträts die positive Seite des Jahrhunderts
der Zeitung: Berichterstattung.
Als Maler ist dieser Zeitgenosse Manets aller-
dingsnichtallzuernstzunehmen. Er findet sein
Leben lang kein Gebiet, das er von Grund auf
durchblutet hätte, dazu fehlen ihm die Mal-
mittel! So zerflattert er zwischen Pose und
Postkartengeilheit.
Es stehen uns noch weitere Gedächtnisausstel-
lungen bevor — 1 92 8 bedeutet für den
Schweizer Kunstbetrieb durchaus Sta-
gnation: Die Toten leben auf Kosten der Le-
bendigen. Die Zeit, die in Bildung begriffen
ist, wird übersehen.
Kunsthaus im Oktober: Neben einigen loka-
len Malern, Gedächtnisausstellung des Neuen-
burger Malers G. Jeanneret (18/17 bis
1927). Jeanneret wurzelt gedanklich im so-
zialen Umkreis Millets. In seinen Hauptwer-
ken (Bahnarbeiter, Winzer, Proletarier) be-
dient er sich Ilodlerscher Gesten. Aber Kod-
ier hatte den Mut, seine Rhythmen, fast von
Farbe entblößt, rein herauszuschälen. Jean-
neret füllt seine Figuren, wie der damalige
Spießer es verlangte, mit süßlicher Koloristik.
Es bleibt nichts übrig als Pose. — Wir befin-
den uns damit im Niveau schlimmster Pro-
vinz. Was soll dies Niveau im Kunstbaus?
Wenn das Zürcher Kunstbaus weiterfährt wie
dieses Jahr, so wird es bald seinen künstleri-
schen Kredit eingebüßt haben.
Im Kunstgewerbemuseum veranstaltet Direk-
tor Altherr eine Photoausstellung von Ren-
ger-Patzsch. Es liegt zwar im ganzen Be-
griff der Photographie, daß „Einzelausstel-
lungen“ irgendwie widersinnig sind. Trotz-
dem ist man für die Bilder dankbar. Wenn
Ilenger-Patzsch ein Fragment eines Holzstoßes
herausgreift, und von der Kamera die Struk-
tur mit größerer Genauigkeit notieren läßt als
unser flüchtiges Auge sie auffaßt, so bedeu-
tet uns das mehr, als ein nur optisches Erleb-
nis. Allerdings wäre es vielleicht gut, wenn
Renger-Patzsch sich allmählich mehr auf ein
einzelnes Gebiet festlegte, anstatt sich in all-
zuviel Möglichkeiten zu versuchen.
Der Kunstsalon Neupert, der sich beträcht-
lich vergrößert hat, bot im Oktober eine
ziemlich umfangreiche Hotller-Ausstellung
mit über fünfzig Bildern und ungefähr gleich-
viel Zeichnungen aus allen Perioden. — Ausge-
zeichnet vertreten war der Landschaftier Kod-
ier, besonders in seiner Spätzeit. Die Zukunft
dürfte weniger seinen großen Kompositionen,
als einzelnen Werken seiner Frühzeit (Por-
trät) und den späten Landschaften gehören.
Hier gibt Hodler sich oft ganz unbefangen,
gegenüber den Landsknecht- oder Tanzszenen.
Schon heute erkennen wir ja bereits, wie viel
sie von der künstlichen Verkrampfung ihrer
Entstehungszeit mitbekommen haben. In ein-
zelnen frühen Bildern findet sich oft eine
merkwürdige, heute oft noch übersehene Mi-
schung von krasser Realität und kühner Ab-
straktionsfähigkeit. Manche Landschaften der
Spätzeit, falls sie nicht einem dekorativen
Hang verfallen, erscheinen in ihrer planen
Gestaltung von einer neuen Ruhe erfüllt.
Giedion