Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928
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Ed. Vuillard Bildnis L. Poe
Aus der Ausstellung »Ein Jahrhundert französischer Malerei« bei M. Knoedler & Co. New York
Mit Genehmigung von Alex Reid & Lefevre Ld., London
für ein paar Mark eine Wandparzelle mieten,
2X3 m groß, und die Reihenfolge wird aus-
gelost. Nun, das resultierende Durcheinander
wäre das Ärgste nicht, — die Platzfrage wird
wohl überhaupt zu wichtig genommen, oft
mag ein Mittelmäßiger sogar davon profitiert
haben, daß kritische Entdeckerlust ihn in den
hinteren Sälen aufstöbern konnte. Darin aber
besteht das unsäglich Deprimierende des Ge-
samteindrucks, daß unter diesen tausendlvunst-
produkten auch nicht ein einziges sich befin-
det, das von irgendeiner Jury heute um sei-
ner Verwegenheit willen abgewiesen werden
könnte. Es ist die absurde Vorgestrigkeit der
weitaus meisten Einsendungen, die erschreckt.
Was noch irgend über das Niveau obskurer
Bilderbazare hinausragt, ist auch schon in ju-
rierten Ausstellungen begegnet: Theo Hölscher
etwa, Franz Lenk, Otto Nagel oder der Auto-
didakt Schroeder-Viborg. Stimmt es denn, daß
heute nur noch der stockbiedere Bilderschund
anonym ist? Leider doch wohl nicht.
J ungellamburger Kunst zeigt die Ham-
burger Zeitschrift „Der Kreis“ in der Gale-
rie Neumann-Nierendorf. Keine son-
derlich starke Erscheinung tritt auf, doch lernt
man in Rudolf Neugebauer, Heinrich Stege-
mann und Erich Hartmann unprätentiöse Be-
gabungen von sympathisch einfacher Haltung
kennen, in Edgar Ende eine allerdings etwas
monotone Eigenart, in Anita Ree eine ge-
schmackvolle Stilistin. Etliche Blätter mit Fe-
der und Wasserfarben von Fortuna Brulez las-
sen durch einen kühnen Zug in der Gelände-
skizze besonders auf merken. Die wohl kräf-
tigste Potenz der Gruppe der unverhohlen an
Munch orientierte Karl Kluth, dessen Bilder
in ihrem Aufriß, in ihrer Äderung von Span-
nungen durchkreist scheinen. Dazwischen recht
Schmächtiges und altmeisterlich Verkrampf-
tes, Plastik dazu von nur bescheidenen Gra-
den. Aber es wirkt insgesamt viel entwick-
lungsfähiger als das, was kürzlich an 0 s t -
preußischer Malerei in der Kunstkarri-
mer M. Wasservogel .sich bot. Man scheint
in der abgelegenen Provinz einigermaßen stek-
kcngeblieben zu sein; einzig Partikel mutet
nerviger an, auch noch Max Neumann weist
eine gewisse Überlegenheit, doch die Degner,
Domscheit, Freymuth, Meseck, Laskowski: das
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