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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 24
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Rundschau
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Edouard Vuillard Square Vintimille
Jubiläumsausstellung des Pariser Herbstsalons 1928 Photo Librairie de France

tete, hat große Fortschritte gemacht. Den
nackten Straßenmodellen, die fast sein einzi-
ges Motiv sind, gibt seine Zeichnung, die stren-
ger wird, ohne dabei an Sinnlichkeit zu verlie-
ren, etwas merkwürdig Reizendes und seihst
Vornehmes. P.C.
BRÜSSELER AUSSTELLUNG EN
Bourdelle / Le C intau re / Jordaens
Die Ausstellung Bourdelle im „Palais des
Beaux-Arts“ ist wohl das vollständigste En-
semble, welches bis heute vom Werke dieses
Bildhauers zu sehen war. i4o Skulpturen,
ohne die vielen Malereien und Zeichnungen,
sind in den stattlichen Räumen des neuen Ge-
bäudes un tergebracht.
Wenn die Retrospektive Respekt und Bewun-
derung erzwingt durch den Umfang der gelei-
steten Arbeit, so hilft sie auch alle Einflüsse
erkennen, denen Bourdelle unterlag, und zwar
so, daß sein Werk eine wirkliche „.Antholo-
gie“ der Skulptur aller Zeiten darstellt. Bour-
delle wußte, nach der individualistischen Kunst
eines Rodin, den Sinn der großen dekorati-
ven Skulptur wiederzufinden. Aber er mußte
zu diesem Zweck erst bei den Griechen des

6. Jahrhunderts, dann bei den Assyrern, den
Ägyptern und den „Imagiers“ des Mittel-
alters in die Schule gehen. Nach all dem
konnte er sich dem Eindruck dieser Vergan-
genheit nicht entziehen, und so war er nicht
imstande, eine wahrhaft originale Kunst zu
schaffen. Daher sein unbedeutender Einfluß
trotz des enormen Wiederhalls, den seine W erke
gefunden haben.
Im Grunde ist Bourdelle, trotz allem Kon-
struktiven, Romantiker, und mit Recht hat
man in diesem Zusammenhang Delacroix und
Gericault genannt. Victor Hugo hätte diese
großsprecherische Kunst und diesen mytholo-
gischen Humbug geliebt. Er hätte mit Bour-
delle seinen Kultus großer Männer geteilt und
diesen Beethoven mit der gewaltigen Stirn und
Rodin mit dem Barte eines Patriarchen ge-
liebt. Diese Hinweise dürften genügen, um
den Beifall zu erklären, den diese emphatische
und expressive Kunst heute beim großen Pu-
blikum findet.
„Le Centaure“ eröffnete die Saison mit Arbei-
ten von den fünf flämischen expressionisti-
schen Malern, welche diese Galerie seit langen
Jahren vertritt, nämlich Permeke, Gustave de

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