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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 3
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Meier-Graefe, Julius: Edouard Manet: zur Ausstellung in der Galerie Matthiesen
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0119
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gehend aufzuheben und das Werk seiner natürlichen Atmosphäre zurückzu-
geben, nicht versäumen, selbst auf die Gefahr hin, daß einmal trotz aller Vor-
sicht etwas auf dem Transport passiert. Man soll kleine Schäden, zumal solche,
die der Rahmenmacher repariert, nicht zu tragisch nehmen. Kunstwerke
sind robuster als man glaubt, sonst würden sie nicht den Restauratoren der
Museen widerstehen.
Die Ausstellung hätte mit Hilfe des deutschen Besitzes vollständiger und
qualitätsreicher sein können, aber es ist dank der Generosität des Auslands
immerhin gelungen, alle Perioden des Meisters mit typischen Exempeln dar-
zustellen, auch die bei weitem glücklichste und fruchtbarste, die 1860 beginnt
und etwa ein Dutzend Jahre umfaßt, die Zeit des spanischen Manet. Wie De-
lacroix den Orient nahm, wo es bunte Gestalten, viel Sonne und wilde Bestien
gab, mit denen er sein Theater auf führen konnte, so bediente sich Manet des
spanischen Milieus, um seinen Farbensinn auszutoben, und zwar tat er das
schon, bevor er das geliebte Land gesehen hatte, schon 1860, als er den Jungen
mit dem Hund malte, das früheste Meisterwerk der Ausstellung, im Besitz
der Frau v. Goldschmidt-Rothschild. Damals war eine Truppe spanischer Tänzer
in Paris. Lola de Valence, eine Vorgängerin der Otero, deren Bildnis heute den
Louvre ziert, gehörte dazu. Diese Tänzer entzündeten den Maler und hier
fand er die starken Kontraste, vor allem sein Schwarz und Weiß, aus denen er
das Dejeuner sur l’herbe und die Olympia gewann, die beiden repräsentativsten
Werke der ganzen Epoche. Im Sommer 1865, nach dem Skandal im Salon
mit der »Olympia«, ist er dann nach Madrid gegangen, und nach seiner Rück-
kehr im Herbst entstanden mehrere Bilder mit Stiergefechten. Das bei weitem
schönste ist auf der Ausstellung, die Szene mit dem Picador und dem gestürzten
Pferde, dem der Stier das Horn in die Weichen bohrt} ein Triumph der Kunst
wie die zweite Anatomie Rembrandts, denn die für jeden nicht spanischen
Aficionado ekelhafte Szene in der Arena wird durch die Malerei in ein Juwel
verwandelt. Die spanischen Motive fanden erst im »Balcon« von 186g ihren
Abschluß, einem ungemein interessanten Dokument des Suchers, nicht frei
von empfindlichen Schwächen. Es enthält ein unvergeßliches Frauenbildnis,
die sitzende Dame mit den schwarzen Augen und dem braunschwarzen Haar.
Der faszinierende Ausdruck trug der Dargestellten — es war Berthe Morisot,
Manets Schülerin, die ihm von da an oft gesessen hat — den Ruf einer »Femme
fatale« ein, und man kann diese Einstellung nachfühlen. Viel weniger über-
zeugen die beiden anderen Gestalten des Bildes, am wenigsten der Herr mit
dem blauen Schlips vor dem schattenhaften Hintergrund. Das Zusammensein
der Gestalten ist nicht annähernd so gesichert wie auf anderen Bildern der
Zeit. Man denke an das Gegenstück, das auf demselben Salon von 1869 hing,
das »Frühstück« der Münchner Staatsgalerie.
Manet hat sich damals nicht nur Spanien und die Spanier Velasquez und Goya
zu eigen gemacht. Die edelsten Werke jener Zeit, von denen es genug auf
der Ausstellung gibt, um uns die Größe des spanischen Manet vor Augen zu
führen, verdienen das Attribut klassisch in einem Umfang, den Velasquez und
Goya nicht erreicht haben. Es kommt das, was Manet von Tizian und Hals
lernte, und das französische Erbe dazu. Alles das bestätigt seine Altmeisterlich-
keit, aber treibt uns nie, nur an das Meisterliche zu denken. Alles das war
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