Nachrichten aus dem ů——— der Kuͤnſte und —ſenſchaften
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chronit der Großh. Snbühne zu Mannßeim.
Precio ſa.
[Beſchluß.]
Da gewann denn beſonders Precioſa, durch ihren feinen Anſtand
und durch ihre himmliſchen Reitze, das Herz eines jungen, vorneh-
men/ liebenswürdigen, ſchönen und reichen Ritters, aber ſie ſchlug
ihn aus, und wollte nur unter der Bedingung die Seinige werden,
wenn er unter den Zigeunern lebend, naͤch einer zweijährigen
Prüfung ihr treu und werth bliebe. Endlich findet es ſich
nach mancherlei Zügen und Schickſalen, daß ſie die geraubte
Tochter einer vornehmen Faͤmilie iſt, mit Freuden wird ſie
von ihren Eltern anerkaͤnnt und der ſchöne Ritter wird der
glückliche Gatte des nunmehro ebenbürtigen Fräuleins.
Daß dieſe, wenn auch einfache, doch ſo liebliche und dem
romantiſchen Leben angehörige Nopelle, wie ſolche Hr. Wolf
für das Theater bearbeitet hat, bei ſorgfältizer ſzeniſcher Aus-
ſattung und guter Darſtellung, des Beifalls nicht ermangeln
kann, bat ſich überall beſtätigt, und der Zuſchauer würde ſich
an der Ebel des Stücks verſündigen, wenn er von ihr ein
höheres Intereſſe und mehr Verwickelung in den Ereig-
niſſen verlangen wollte. Alles beruht auf der würdigen Beſe-
tung der Heldin des Stücks, auf die Liebe des Ritters zu ihr,
und auf Precioſens Wiedererkennung im ekterlichen Haufe.
Die Phantaſe kann nur ausſchmücken, und die herrliche
Muſik des geiſtreichen Tonſetzers muß das Ganze beleben.
Die' treffliche Künſtlerin Mad. Reumann vom Karlsruhes
Hoftheater gab die Precioſa durchaus mit dem Gepräge ergrei-
fender Wahrheit, Anmuth und Schwärmerei, und wenn auch
die leidenſchaftlichen Bewegungen der Seele nicht immer
in hinreiſſenden Akzenten lyriſche Begeiſterung hören lieſſen,
wenn auch zuweilen eine gewiſſe kalte ſtudirte Abgemeſſenheit
ſie begleitete, und ſich jene Leiden und Freuden der Seele in
den Mienen des Geſichts ſprechender hätten abmalen können;
wenn auch der mehr rezitirte als geſungene Vortrag ihrer Mu-
ſikpartten, und, hinſichtlich des Tanzes, ein Paar leichte
Pas in ſchön gruppitten Stellungen, kein vollendetes Kunſt-
werk bildeten; ſo hat doch die verehrte Künſtlerin eben durch
dieſe Einfachheit, nach meiner Anſicht, ſich dem Bilde genä-
bert, welches wir uns von der Unſchuld und Reinheit einer
funfzehnzährigen Schönheit machen müſſen. Vorzüglich ge-
langen ihr: Die Szene mit der Zigenner-Mutter, jene mit
Don Contreras und ſeiner Petronella, und die wahrſagende
mit Don Alonzo, ihrem Geliebten; alſo diejenigen wo Nai-
vität der vorherrſchende Charakter iſt.
Herr Löde gab den galanten und ſchwärmeriſchen Don
Alonzo ganz im Geiſt der ächten Chevalerie; wie ihm denn
überhaupt alle phantaſtiſche Rollen immer vortrefflich gelingen.
Die alte, im Geſchmack des Abällino, ſchauerlich ausſtaf-
4*
ſrte Iihenner⸗Mutter VBitha/ ward bon Mad. gö in
großer Vollkommenheit dargeſtellt/ daß die Wirkung des Ab-
ſcheus vor deren Häßlichkeit vetſchwand und ſie dem Suſchane
den vollſtändigſten Beifall abnöthigte.
Von den übrigen Figuren des Schauſpiels, welche nur zum
Rahmen des uns anlachenden Bildes dienen, will ich nur
noch des Schloßvogts Pedro erwähnen. Herr Obermayer ein
Meiſter im Grotesklomiſchen, welches in das Gebiet
der Karikatur hinüberſtreift/ gab die originellen und ergötzli-
chen Einfälle dieſes Peter de Plaiſir — wie er ſich ſelbſt
nennt — mit ſo unvergeßlich guter Laune, daß ſicher meh-
rere derſelben, zu ſtehenden Sprichwörtern im Mund des Volks
bleiben werden. Erlach.
—2.22 ——— 222———— —ñ. ——f — — —
Korreſpondenz⸗Nachrichten.
Darmſtadt,/ den 7. Dezember, 182ã.
Fortlfetz un g.
Die Situationen, obgleich verbraucht/ ſind mindeſtens im-
poſant, aber eben deßhalb angenehm, und wenn die Dar-
ſiellung nur mittelmätig iſt, muß es gefallen, — und win
können ſagen, daß ſie mehr war. Der von Herrn Clauren
reich ausgeſtattete (7 Millionen!!) Bräutigam wurde v. Hrn.
Fiſcher außerdem mit allen nur denkbaren Neizen geſchmückt.
Den vergnügten, harmloſen Mexikaner, der bis zum Anblicke
Suschens, voll von launigen Einfällen und Schwänken, die
Heiterkeit ſelbſt it, die Verwirrung bei ihrer erſten
Erſcheinung, den Zorn über die zwei Spitzenkäufer, dann den
plötzlich in alier Glut erwachenden Liebhaber, alle dieſe Lagen
zeichnete er bis zu den verborgenſten Nüanzen mit einer Schärfe,
mit einer Wahrheit, die an die Wirklichkeit gränzt. Dabei
iſt ſein Koſtüm höchſt vortheilhaft gewählt. Die Rolle des
Reimann war bei Herrn Zahrt in guten Händen. Suschen
gab Mad. Sandhaas höchſt getreu und wahr und ſie iſt dem-
nach eine würdige Braut geworden. Die Naivität gelang ihr
vorzüglich gut, die Szenen mit der Alten waren voller Le-
ben, die Gutmüthigkeit zum Entzücken durchgeführt. — Herr
Steck gab den Prahlenſtein. Seine Virtuoſität iſt hinlänglich
bekannt; hier übertraf er ſich ſelbſt. Seine beiden Töchter
ſind in Dem. Meyer und Mad. Mikler nur ſchwankend beſezt.
Doch verdient das Spiel der erſteren mehr gewürdigt zu wer-
den, als das der leztern. Die untergeordneten Rollen, wie
3. B. die beiden Barone und das Kammermädchen, ſind zwar
nicht beſonders ergözlich beſezt, aber doch genügend ge-
wefen. Unter den Dekorationen zeichnete ſich die der Kücht
beſonders aus. ö
(Beſchlußhefolg.)
Verleger: Karl Groos/ Neue akademiſche Buchhandlung in Heidelverg. — Druckerei von S. Kaufmann ſeel. Witwe.
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chronit der Großh. Snbühne zu Mannßeim.
Precio ſa.
[Beſchluß.]
Da gewann denn beſonders Precioſa, durch ihren feinen Anſtand
und durch ihre himmliſchen Reitze, das Herz eines jungen, vorneh-
men/ liebenswürdigen, ſchönen und reichen Ritters, aber ſie ſchlug
ihn aus, und wollte nur unter der Bedingung die Seinige werden,
wenn er unter den Zigeunern lebend, naͤch einer zweijährigen
Prüfung ihr treu und werth bliebe. Endlich findet es ſich
nach mancherlei Zügen und Schickſalen, daß ſie die geraubte
Tochter einer vornehmen Faͤmilie iſt, mit Freuden wird ſie
von ihren Eltern anerkaͤnnt und der ſchöne Ritter wird der
glückliche Gatte des nunmehro ebenbürtigen Fräuleins.
Daß dieſe, wenn auch einfache, doch ſo liebliche und dem
romantiſchen Leben angehörige Nopelle, wie ſolche Hr. Wolf
für das Theater bearbeitet hat, bei ſorgfältizer ſzeniſcher Aus-
ſattung und guter Darſtellung, des Beifalls nicht ermangeln
kann, bat ſich überall beſtätigt, und der Zuſchauer würde ſich
an der Ebel des Stücks verſündigen, wenn er von ihr ein
höheres Intereſſe und mehr Verwickelung in den Ereig-
niſſen verlangen wollte. Alles beruht auf der würdigen Beſe-
tung der Heldin des Stücks, auf die Liebe des Ritters zu ihr,
und auf Precioſens Wiedererkennung im ekterlichen Haufe.
Die Phantaſe kann nur ausſchmücken, und die herrliche
Muſik des geiſtreichen Tonſetzers muß das Ganze beleben.
Die' treffliche Künſtlerin Mad. Reumann vom Karlsruhes
Hoftheater gab die Precioſa durchaus mit dem Gepräge ergrei-
fender Wahrheit, Anmuth und Schwärmerei, und wenn auch
die leidenſchaftlichen Bewegungen der Seele nicht immer
in hinreiſſenden Akzenten lyriſche Begeiſterung hören lieſſen,
wenn auch zuweilen eine gewiſſe kalte ſtudirte Abgemeſſenheit
ſie begleitete, und ſich jene Leiden und Freuden der Seele in
den Mienen des Geſichts ſprechender hätten abmalen können;
wenn auch der mehr rezitirte als geſungene Vortrag ihrer Mu-
ſikpartten, und, hinſichtlich des Tanzes, ein Paar leichte
Pas in ſchön gruppitten Stellungen, kein vollendetes Kunſt-
werk bildeten; ſo hat doch die verehrte Künſtlerin eben durch
dieſe Einfachheit, nach meiner Anſicht, ſich dem Bilde genä-
bert, welches wir uns von der Unſchuld und Reinheit einer
funfzehnzährigen Schönheit machen müſſen. Vorzüglich ge-
langen ihr: Die Szene mit der Zigenner-Mutter, jene mit
Don Contreras und ſeiner Petronella, und die wahrſagende
mit Don Alonzo, ihrem Geliebten; alſo diejenigen wo Nai-
vität der vorherrſchende Charakter iſt.
Herr Löde gab den galanten und ſchwärmeriſchen Don
Alonzo ganz im Geiſt der ächten Chevalerie; wie ihm denn
überhaupt alle phantaſtiſche Rollen immer vortrefflich gelingen.
Die alte, im Geſchmack des Abällino, ſchauerlich ausſtaf-
4*
ſrte Iihenner⸗Mutter VBitha/ ward bon Mad. gö in
großer Vollkommenheit dargeſtellt/ daß die Wirkung des Ab-
ſcheus vor deren Häßlichkeit vetſchwand und ſie dem Suſchane
den vollſtändigſten Beifall abnöthigte.
Von den übrigen Figuren des Schauſpiels, welche nur zum
Rahmen des uns anlachenden Bildes dienen, will ich nur
noch des Schloßvogts Pedro erwähnen. Herr Obermayer ein
Meiſter im Grotesklomiſchen, welches in das Gebiet
der Karikatur hinüberſtreift/ gab die originellen und ergötzli-
chen Einfälle dieſes Peter de Plaiſir — wie er ſich ſelbſt
nennt — mit ſo unvergeßlich guter Laune, daß ſicher meh-
rere derſelben, zu ſtehenden Sprichwörtern im Mund des Volks
bleiben werden. Erlach.
—2.22 ——— 222———— —ñ. ——f — — —
Korreſpondenz⸗Nachrichten.
Darmſtadt,/ den 7. Dezember, 182ã.
Fortlfetz un g.
Die Situationen, obgleich verbraucht/ ſind mindeſtens im-
poſant, aber eben deßhalb angenehm, und wenn die Dar-
ſiellung nur mittelmätig iſt, muß es gefallen, — und win
können ſagen, daß ſie mehr war. Der von Herrn Clauren
reich ausgeſtattete (7 Millionen!!) Bräutigam wurde v. Hrn.
Fiſcher außerdem mit allen nur denkbaren Neizen geſchmückt.
Den vergnügten, harmloſen Mexikaner, der bis zum Anblicke
Suschens, voll von launigen Einfällen und Schwänken, die
Heiterkeit ſelbſt it, die Verwirrung bei ihrer erſten
Erſcheinung, den Zorn über die zwei Spitzenkäufer, dann den
plötzlich in alier Glut erwachenden Liebhaber, alle dieſe Lagen
zeichnete er bis zu den verborgenſten Nüanzen mit einer Schärfe,
mit einer Wahrheit, die an die Wirklichkeit gränzt. Dabei
iſt ſein Koſtüm höchſt vortheilhaft gewählt. Die Rolle des
Reimann war bei Herrn Zahrt in guten Händen. Suschen
gab Mad. Sandhaas höchſt getreu und wahr und ſie iſt dem-
nach eine würdige Braut geworden. Die Naivität gelang ihr
vorzüglich gut, die Szenen mit der Alten waren voller Le-
ben, die Gutmüthigkeit zum Entzücken durchgeführt. — Herr
Steck gab den Prahlenſtein. Seine Virtuoſität iſt hinlänglich
bekannt; hier übertraf er ſich ſelbſt. Seine beiden Töchter
ſind in Dem. Meyer und Mad. Mikler nur ſchwankend beſezt.
Doch verdient das Spiel der erſteren mehr gewürdigt zu wer-
den, als das der leztern. Die untergeordneten Rollen, wie
3. B. die beiden Barone und das Kammermädchen, ſind zwar
nicht beſonders ergözlich beſezt, aber doch genügend ge-
wefen. Unter den Dekorationen zeichnete ſich die der Kücht
beſonders aus. ö
(Beſchlußhefolg.)
Verleger: Karl Groos/ Neue akademiſche Buchhandlung in Heidelverg. — Druckerei von S. Kaufmann ſeel. Witwe.