Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0446
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No 92-104 (August 1823)
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- Einband
- Titelblatt
- [Inhalt]
-
No 1-13 (Januar 1823)
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No 14-25 (Februar 1823)
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No 26-39 (März 1823)
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No 1 Intelligenzblatt zur Charis
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No 40-52 (April 1823)
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No 53-65 (Mai 1823)
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No 66-78 (Juni 1823)
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No 2 Intelligenzblatt zur Charis
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No 79-91 (Juli 1823)
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No 92-104 (August 1823)
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No 105-117 (September 1823)
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No 3 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 118-130 (Oktober 1823)
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No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
-
No 4 Intelligenzblatt zur Charis
- Inhalt
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
V
+2
2
Vãũ
V
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Le ſer.
Nro. 92. Sonnabend den 2. Auguſt 1823.
Verantwortlicher Nedakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Oithon a.
(Fortfetzun g.)
„Warum, Holde, fuhrſt du ſo zuſammen?
(Ruft der Held;) warum entfliehſt du mir?
Spruͤht mein Aug' des Todes wilde Flammen,
Oder wohnt ein Groll im Herzen dir?
Du, wie des erwachenden Morgens Strahl,
Der mir erglänzt im fremden Thal,
O Nuath's Kind, des Streiters von dem Wagen,
Du hullſt dein Angeſicht in Schmerz ?
Iſt nah' dein Feind? O eil, es mir zu ſagen!
Nach Kampf mit ihm erglüht mein Herz.
Das Schwert bewegt ſich an meiner Seite,
Und ſtrebet, zu blitzen im wilden Streite
O Tochter von Nuath, Dunlathmons Zier,
Schau' meine Thraͤnen! — O ſage mir!“ —
„Struthmons Führer! (beginnt die Maid;)
Warum doch kamſt du über die Fluten
Zu Nuath's Tochter in ihrem Leid?
O könnte mein armes Herz verbluten!
Verſchwaͤnd' ich, wie der Blume Schimmer!
Sie bluͤht am fernen Felſen dort:
Da ſtürmt heran der kalte Nord,
Und jaget dahin die welken Trümmer.
So ſink' ich in der Blüte Tagen:
Mein Name ſoll im Wind verweh'n,
Und Nuath wird in Gram vergeh'n.
Kamſt du, zu hoͤren noch meine Klagen?
Ja, trauern wirſt du, Morni's Sohn,
Weil ach! Oithona's Ruhm entfloh'n!
Bald aber ſchläft ſie im engen Hauſe,
Der Klage fern — Warum noch fand
Ihr Freund ſie hier, wo mit Gebrauſe
Das Meer umwoget den fremden Strand?“ —
Gal ſpricht: „Ich ſuche den Feind!
Tod ſoll auf Cuthal fliegen,
Der ſchon trübleuchtend erſcheint:
Wo nicht, ſoll Gal erliegen!
Doch ſinkt, Geliebte, Morni's Sohn hinab,
Dann thürm' an jenen Fels ſein Grab,
Und ſiehſt du ein Schiff vorüber wallen,
So rufe die Söhne der Flut herbei,
Und ſage, daß nach Morni's Hallen,
Mein Kriegesſchwert zu bringen ſer
Dann wendet der Greis nicht ferne den Blick,
Und hofft, es kehre ſein Sohn zurück.“ —
Sie ſeufzet tief: Oithona ſoll, ö
Wenn Gal erliegt, auf Tromthons Klippe leben?
Es gleicht mein Herz, ſo liebevoll,
Dem Felſen nicht, auch nicht dem Meer,
Deß Fluten ſich bei jedem Winde heben
Und rollen mit dem Sturm einher. ö
Ja, dem du ſinkeſt, der Stoß der Winde
Jagt auch mein welkes Laub davon,
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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Le ſer.
Nro. 92. Sonnabend den 2. Auguſt 1823.
Verantwortlicher Nedakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Oithon a.
(Fortfetzun g.)
„Warum, Holde, fuhrſt du ſo zuſammen?
(Ruft der Held;) warum entfliehſt du mir?
Spruͤht mein Aug' des Todes wilde Flammen,
Oder wohnt ein Groll im Herzen dir?
Du, wie des erwachenden Morgens Strahl,
Der mir erglänzt im fremden Thal,
O Nuath's Kind, des Streiters von dem Wagen,
Du hullſt dein Angeſicht in Schmerz ?
Iſt nah' dein Feind? O eil, es mir zu ſagen!
Nach Kampf mit ihm erglüht mein Herz.
Das Schwert bewegt ſich an meiner Seite,
Und ſtrebet, zu blitzen im wilden Streite
O Tochter von Nuath, Dunlathmons Zier,
Schau' meine Thraͤnen! — O ſage mir!“ —
„Struthmons Führer! (beginnt die Maid;)
Warum doch kamſt du über die Fluten
Zu Nuath's Tochter in ihrem Leid?
O könnte mein armes Herz verbluten!
Verſchwaͤnd' ich, wie der Blume Schimmer!
Sie bluͤht am fernen Felſen dort:
Da ſtürmt heran der kalte Nord,
Und jaget dahin die welken Trümmer.
So ſink' ich in der Blüte Tagen:
Mein Name ſoll im Wind verweh'n,
Und Nuath wird in Gram vergeh'n.
Kamſt du, zu hoͤren noch meine Klagen?
Ja, trauern wirſt du, Morni's Sohn,
Weil ach! Oithona's Ruhm entfloh'n!
Bald aber ſchläft ſie im engen Hauſe,
Der Klage fern — Warum noch fand
Ihr Freund ſie hier, wo mit Gebrauſe
Das Meer umwoget den fremden Strand?“ —
Gal ſpricht: „Ich ſuche den Feind!
Tod ſoll auf Cuthal fliegen,
Der ſchon trübleuchtend erſcheint:
Wo nicht, ſoll Gal erliegen!
Doch ſinkt, Geliebte, Morni's Sohn hinab,
Dann thürm' an jenen Fels ſein Grab,
Und ſiehſt du ein Schiff vorüber wallen,
So rufe die Söhne der Flut herbei,
Und ſage, daß nach Morni's Hallen,
Mein Kriegesſchwert zu bringen ſer
Dann wendet der Greis nicht ferne den Blick,
Und hofft, es kehre ſein Sohn zurück.“ —
Sie ſeufzet tief: Oithona ſoll, ö
Wenn Gal erliegt, auf Tromthons Klippe leben?
Es gleicht mein Herz, ſo liebevoll,
Dem Felſen nicht, auch nicht dem Meer,
Deß Fluten ſich bei jedem Winde heben
Und rollen mit dem Sturm einher. ö
Ja, dem du ſinkeſt, der Stoß der Winde
Jagt auch mein welkes Laub davon,