Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0590
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No 118-130 (Oktober 1823)
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- Einband
- Titelblatt
- [Inhalt]
-
No 1-13 (Januar 1823)
-
No 14-25 (Februar 1823)
-
No 26-39 (März 1823)
-
No 1 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 40-52 (April 1823)
-
No 53-65 (Mai 1823)
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No 66-78 (Juni 1823)
-
No 2 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 79-91 (Juli 1823)
-
No 92-104 (August 1823)
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No 105-117 (September 1823)
-
No 3 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 118-130 (Oktober 1823)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
-
No 4 Intelligenzblatt zur Charis
- Inhalt
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro. 120. Montag den 6. Oktober 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
An Laura.
Welch milden Schatten boten jene Linden
Uns juͤngſt, o Laura, durch ihr ſanftes Laub!“
Jezt, ach! erbleichen ſie in rauhen Winden,
Und ihre Schoͤnheit wird des Herbſtes Raub.
Doch den Verluſt, warum wir ſie beklagen,
Erſetzt des Frühlings Zauber ihnen bald,
Der kraͤftig, nach den kalten Wintertagen,
Erneuert ihre liebliche Geſtalt.
Uns, traute Laura, lacht die Frühlingsſonne
Des Lebens einmal nur mit hoͤldem Blick;
Iſt einſt auch unſer Herbſt nicht arm an Wonne, ö
Wir müſſen gehn, und kehren nie zurück.
Laß, ſußes Kind, in unſrer ſchoͤnen Jugend
Mit reiner Bruſt uns unſrer Liebe freun,
So wird, nach ſanfter Luſt und heitrer Tugend,
Uns unſer Winter noch ein Frühling ſeyn.
Gittermann.
— — —————
— — —— — — — ——— —m —
Ad elbert.
. (Fortſetzung.) ö
Die Lage des Glücks hatte ſich verwandelt: Metzlers Heer war
geſchlagen und zernichtet, allein der Krieg dadurch nur noch
allgemeiner geworden. Dieſe Burg beherrſchte das Thal
und von hier aus war es nur moͤglich dem Vorrücken des
verſtaͤrkten Bauernheers Einhalt zu thun; dies wußte der
Reichsfuͤhrer Truchſeß von Waldburg und wendete daher
einen Theil ſeiner Macht hierher. — —
Bald hoͤrte man nur noch die Stimmen der Entfern-
teren, welche auf den Mauern ſtritten, oder ein murmeln-
des Donnern des Geſchützes. Des Gefangnen ſchien man
in der allgemeinen Verwirrung gaͤnzlich vergeſſen zu haben,
wenigſtens hatte ſich in der ganzen Zeit kein Menſch in
den Theil des Schloſſes begeben, wo Adelberts Kerker war.
Welche Ungeduld und Pein der Ungewißheit empfand er
jezt, wie regten ſich alle Gefühle in ihm bei der Möͤglich-
keit naher Rettung! — Wer waren die angreifenden Feinde
— hatten ſie Macht und Gluͤck genug, ihn zu retten?
Drei Stunden hatten ihn alle dieſe Fragen wechſelsweiſe
beſchaͤftigt und gequaͤlt, als die Bauern, wie es ſchien, zu-
ruͤckgedraͤngt wurden, denn er hoͤrte von Neuem Waffen-
geraͤuſch und Stimmen im Hofe und dem oͤſtlichen Theil
des Burghauſes und bald kamen die Tritte auch auf den
ö Gang zu ſeinem Kerker. Er bebte vor Entzücken. Ver-
gebens. Das Siegsgeſchrei der jauchzenden Feinde ließ ſich
immer deutlicher vernehmen und Adelbert erkannte im Gang
Brauns und Links gellende Stimmen.
Wißt ihrs gewiß, rief Link mit dem Ton der verzwei-
felten Feigheit — ich glaub nicht daran; der Storch hat ſo
viele Lügen geredet, wer möcht' noch jezt ſein Narr ſeyn!
Schweig, Kroͤte — erwiederte Braun. Gib her die
Schluͤſſel Finkel — ſeht, Brüder, hier geht der Gang hin-
Nro. 120. Montag den 6. Oktober 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
An Laura.
Welch milden Schatten boten jene Linden
Uns juͤngſt, o Laura, durch ihr ſanftes Laub!“
Jezt, ach! erbleichen ſie in rauhen Winden,
Und ihre Schoͤnheit wird des Herbſtes Raub.
Doch den Verluſt, warum wir ſie beklagen,
Erſetzt des Frühlings Zauber ihnen bald,
Der kraͤftig, nach den kalten Wintertagen,
Erneuert ihre liebliche Geſtalt.
Uns, traute Laura, lacht die Frühlingsſonne
Des Lebens einmal nur mit hoͤldem Blick;
Iſt einſt auch unſer Herbſt nicht arm an Wonne, ö
Wir müſſen gehn, und kehren nie zurück.
Laß, ſußes Kind, in unſrer ſchoͤnen Jugend
Mit reiner Bruſt uns unſrer Liebe freun,
So wird, nach ſanfter Luſt und heitrer Tugend,
Uns unſer Winter noch ein Frühling ſeyn.
Gittermann.
— — —————
— — —— — — — ——— —m —
Ad elbert.
. (Fortſetzung.) ö
Die Lage des Glücks hatte ſich verwandelt: Metzlers Heer war
geſchlagen und zernichtet, allein der Krieg dadurch nur noch
allgemeiner geworden. Dieſe Burg beherrſchte das Thal
und von hier aus war es nur moͤglich dem Vorrücken des
verſtaͤrkten Bauernheers Einhalt zu thun; dies wußte der
Reichsfuͤhrer Truchſeß von Waldburg und wendete daher
einen Theil ſeiner Macht hierher. — —
Bald hoͤrte man nur noch die Stimmen der Entfern-
teren, welche auf den Mauern ſtritten, oder ein murmeln-
des Donnern des Geſchützes. Des Gefangnen ſchien man
in der allgemeinen Verwirrung gaͤnzlich vergeſſen zu haben,
wenigſtens hatte ſich in der ganzen Zeit kein Menſch in
den Theil des Schloſſes begeben, wo Adelberts Kerker war.
Welche Ungeduld und Pein der Ungewißheit empfand er
jezt, wie regten ſich alle Gefühle in ihm bei der Möͤglich-
keit naher Rettung! — Wer waren die angreifenden Feinde
— hatten ſie Macht und Gluͤck genug, ihn zu retten?
Drei Stunden hatten ihn alle dieſe Fragen wechſelsweiſe
beſchaͤftigt und gequaͤlt, als die Bauern, wie es ſchien, zu-
ruͤckgedraͤngt wurden, denn er hoͤrte von Neuem Waffen-
geraͤuſch und Stimmen im Hofe und dem oͤſtlichen Theil
des Burghauſes und bald kamen die Tritte auch auf den
ö Gang zu ſeinem Kerker. Er bebte vor Entzücken. Ver-
gebens. Das Siegsgeſchrei der jauchzenden Feinde ließ ſich
immer deutlicher vernehmen und Adelbert erkannte im Gang
Brauns und Links gellende Stimmen.
Wißt ihrs gewiß, rief Link mit dem Ton der verzwei-
felten Feigheit — ich glaub nicht daran; der Storch hat ſo
viele Lügen geredet, wer möcht' noch jezt ſein Narr ſeyn!
Schweig, Kroͤte — erwiederte Braun. Gib her die
Schluͤſſel Finkel — ſeht, Brüder, hier geht der Gang hin-