Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0296
DOI Kapitel:
No 53-65 (Mai 1823)
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- Einband
- Titelblatt
- [Inhalt]
-
No 1-13 (Januar 1823)
-
No 14-25 (Februar 1823)
-
No 26-39 (März 1823)
-
No 1 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 40-52 (April 1823)
-
No 53-65 (Mai 1823)
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No 66-78 (Juni 1823)
-
No 2 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 79-91 (Juli 1823)
-
No 92-104 (August 1823)
-
No 105-117 (September 1823)
-
No 3 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 118-130 (Oktober 1823)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
-
No 4 Intelligenzblatt zur Charis
- Inhalt
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
W
04
D ũQ. 3
R
— —
2 R.
X
—*—
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro. 61. Mittwoch den A. Mai 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Elegiſche Epigramme uͤber Athen.
13. Hadrians Thor-
Theſeus Stadt iſt dieſes, bezeuget der Bogen nach innen,
Dieſes des Hadrian Stadt, ſaget die äußere Schrift.
Nie mit dem trefflichen Weine, dem alternden, miſche den jungen,
Geiſter der Völker nie werden ſie traulich und Eins.
Steh' ein jedes für ſich in eigner natürlicher Kraft da;
Achte das andre, jedoch immer vor allem ſich ſelbſt,
——
14. Solon und Sokrates.
Feſt das Geſetz zu begründen entwanderte jener dem Lande,
Daß es in Würde beſteh' verharrete dieſer dem nahenden Tod.
15. Dem unbekannten Gott.
Hoch die Hände gereckt: „Dort über des Parthenons Höhe
„Wohnet ein höherer Geiſt, Wände beſchließen ihn nicht,“
Rief der begeiſterte Seher, „das Schwert, das ſo viele der Herzen
„Theilen ſollt': Er ließ eigene Bahnen euch gehn;
»Ob ihr etwa erkennet, der nah ſich dem Herzen verkündet,
»Der die Seelen mit Kraft wonniger Speiſen erfüllt.“
Als nun der Seher geendet, da wandten ſich ſchweigend die
Weiſen;
Doch was entzündlicher war, faßte der feurige Geiſt,
Jener des Unbekannten Altar ſteht hoch mit dem Kreuze,
Anderer Götter Altar liegt mit den Tempeln in Schutt.
G. Ch. Braun.
Apoſtelgeſ. C. 18.
Die Huſſiten.
Eine, auf geſchichtliche Daten gegründete Erzählung
aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts.
Von G. G. Gervinus.
Am Abend vor dem Charfreitage des Jahrs 1421
ſaß, im vollen Widerſpruche mit der freundlich wie-
der erlebten Natur, die ſinnige Sophia, Bohuslav
von Schwambergs Tochter, ernſt und traurig in
ihrer Kammer auf Burg Kraslikow, und hob nur
bisweilen den Blick zum Himmel auf, um ihn
dann mit neuer Sehnſucht. wieder auf ihren Schoos
ſinken zu laſſen. Denn da lag ein ſehr ſchoͤnes
Juͤnglingsbild, das ſie zwar eben ſo heiter als der
Fruͤhling anlachte, aber doch nur Gram und Trauer
in ihrem Herzen zu erregen ſchien.
Ein eherner Tritt der die Stiegen herauf klirrte
weckte ſie aus ihren Traͤumen und ſie verbarg
aͤngſtlich das Bild im Buſen, als ſie in dem
Eintretenden ihren Vater fand. Furchtſam wich ſie
ſeinem ſcharfen Blicke aus; er aber ſtellet ſich ihr
gegen über und an einen Stuhl gelehnt, ſagte er:
Es iſt wohl in unſerer Zeit ſehr gut, liebe Tochter,
wenn man allzufroͤhliche Eindruͤcke vom Herzen
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2 R.
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—*—
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro. 61. Mittwoch den A. Mai 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Elegiſche Epigramme uͤber Athen.
13. Hadrians Thor-
Theſeus Stadt iſt dieſes, bezeuget der Bogen nach innen,
Dieſes des Hadrian Stadt, ſaget die äußere Schrift.
Nie mit dem trefflichen Weine, dem alternden, miſche den jungen,
Geiſter der Völker nie werden ſie traulich und Eins.
Steh' ein jedes für ſich in eigner natürlicher Kraft da;
Achte das andre, jedoch immer vor allem ſich ſelbſt,
——
14. Solon und Sokrates.
Feſt das Geſetz zu begründen entwanderte jener dem Lande,
Daß es in Würde beſteh' verharrete dieſer dem nahenden Tod.
15. Dem unbekannten Gott.
Hoch die Hände gereckt: „Dort über des Parthenons Höhe
„Wohnet ein höherer Geiſt, Wände beſchließen ihn nicht,“
Rief der begeiſterte Seher, „das Schwert, das ſo viele der Herzen
„Theilen ſollt': Er ließ eigene Bahnen euch gehn;
»Ob ihr etwa erkennet, der nah ſich dem Herzen verkündet,
»Der die Seelen mit Kraft wonniger Speiſen erfüllt.“
Als nun der Seher geendet, da wandten ſich ſchweigend die
Weiſen;
Doch was entzündlicher war, faßte der feurige Geiſt,
Jener des Unbekannten Altar ſteht hoch mit dem Kreuze,
Anderer Götter Altar liegt mit den Tempeln in Schutt.
G. Ch. Braun.
Apoſtelgeſ. C. 18.
Die Huſſiten.
Eine, auf geſchichtliche Daten gegründete Erzählung
aus der Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts.
Von G. G. Gervinus.
Am Abend vor dem Charfreitage des Jahrs 1421
ſaß, im vollen Widerſpruche mit der freundlich wie-
der erlebten Natur, die ſinnige Sophia, Bohuslav
von Schwambergs Tochter, ernſt und traurig in
ihrer Kammer auf Burg Kraslikow, und hob nur
bisweilen den Blick zum Himmel auf, um ihn
dann mit neuer Sehnſucht. wieder auf ihren Schoos
ſinken zu laſſen. Denn da lag ein ſehr ſchoͤnes
Juͤnglingsbild, das ſie zwar eben ſo heiter als der
Fruͤhling anlachte, aber doch nur Gram und Trauer
in ihrem Herzen zu erregen ſchien.
Ein eherner Tritt der die Stiegen herauf klirrte
weckte ſie aus ihren Traͤumen und ſie verbarg
aͤngſtlich das Bild im Buſen, als ſie in dem
Eintretenden ihren Vater fand. Furchtſam wich ſie
ſeinem ſcharfen Blicke aus; er aber ſtellet ſich ihr
gegen über und an einen Stuhl gelehnt, ſagte er:
Es iſt wohl in unſerer Zeit ſehr gut, liebe Tochter,
wenn man allzufroͤhliche Eindruͤcke vom Herzen