Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0365
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No 66-78 (Juni 1823)
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- Einband
- Titelblatt
- [Inhalt]
-
No 1-13 (Januar 1823)
-
No 14-25 (Februar 1823)
-
No 26-39 (März 1823)
-
No 1 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 40-52 (April 1823)
-
No 53-65 (Mai 1823)
-
No 66-78 (Juni 1823)
-
No 2 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 79-91 (Juli 1823)
-
No 92-104 (August 1823)
-
No 105-117 (September 1823)
-
No 3 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 118-130 (Oktober 1823)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
-
No 4 Intelligenzblatt zur Charis
- Inhalt
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
EEE
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro. 76. Mittwoch den B. Juni 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Heraus geber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Es weht durch Zweig und Aeſte
Der Morgenwind ſo rein,
Wann ziehn die ſüßen Gäſte
In Hain und Thäler ein?
Es ſeufzt mit leiſer Klage
Der blätterloſe Wald:
„Du Wohllaut beßrer Tage,
Biſt du ſo ganz verhallt?“ —
In gleicher Schwermuth hanget
Der Roſenſtock am Bach
uund klaget, und verlanget,
uUnd blickt der Welle nach.
Einſt ſchmückten, duftumwoben/
Ihn Blüten puryurroth/
Jetzt ſeufzt er bang nach Oben:
»Wie bin ich dürr und todt!“
Kehr' wieder Sangesluſt!“
Erw ach en.
Doch trüber noch als Alle
Der ſtumme Sänger geht,
Weil in des Schloſſes Halle
Die Harfe lautlos ſteht.
Erſtorben ſind die Lieder
Er klagt aus banger Bruſt:
„O Muſe kehre wieder!
Und zu der Roſ' am Bache
Tritt er mit leiſem Kuß,
Und rufet ſanft: „Erwache
Bei meinem Liebesgruß!“—
Und weiter zieht er, weiter,
Mit ſeines Füllhorns Pracht
Bis duftend, friſch und heiter,
Blum', Hain und Hügel lacht.
Den Sänger aber führet
Er zu der Fluren Glanz,/
Und weckt ſein Herz, und zieret
Ihn mit dem ſchönſten Kranz,
Und flüſtert: „Blum' und Lieder
Erweckte ich für dich!
Nun/ Lieber, ſinge wieder
Und preiſe fröhlich mich!“
Agnes Franz.
Da zieht mit heitern Blicken,
Gerührt von ſo viel Pein,
Das Weltall zu beglücken
Der holde Frühling ein,
Und ſpricht zum düſtren Haine:
„»Auf / grüne ſchnell empor!
Es naht im Sonnenſcheine
Dein Nachtigallen⸗Chor!“
1— — —
— — — h—ꝛ422 ——— — 2—— — —7 ——— — — ———
Die Huſfiten
(Fortletzurnn g.)
In der Kapelle war die Burggemeiade in heiliger
Andacht verſammelt. Gewärtig des Brautpaars
ſtand der Kaplan an dem Altare, Bohuslav, Sophia
und Liba ſtanden ihm nahe auf beiden Seiten.
Da traten die beiden Liebenden in die Kirche ein,
ſie in lieblicher Sammetkleidung wie eine bluͤhende
Roſe leuchtend, aber in dem ſuͤßen Schmelz der
heitern Farbe der Lilien Demuth ſtill bewahrend,
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro. 76. Mittwoch den B. Juni 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Heraus geber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Es weht durch Zweig und Aeſte
Der Morgenwind ſo rein,
Wann ziehn die ſüßen Gäſte
In Hain und Thäler ein?
Es ſeufzt mit leiſer Klage
Der blätterloſe Wald:
„Du Wohllaut beßrer Tage,
Biſt du ſo ganz verhallt?“ —
In gleicher Schwermuth hanget
Der Roſenſtock am Bach
uund klaget, und verlanget,
uUnd blickt der Welle nach.
Einſt ſchmückten, duftumwoben/
Ihn Blüten puryurroth/
Jetzt ſeufzt er bang nach Oben:
»Wie bin ich dürr und todt!“
Kehr' wieder Sangesluſt!“
Erw ach en.
Doch trüber noch als Alle
Der ſtumme Sänger geht,
Weil in des Schloſſes Halle
Die Harfe lautlos ſteht.
Erſtorben ſind die Lieder
Er klagt aus banger Bruſt:
„O Muſe kehre wieder!
Und zu der Roſ' am Bache
Tritt er mit leiſem Kuß,
Und rufet ſanft: „Erwache
Bei meinem Liebesgruß!“—
Und weiter zieht er, weiter,
Mit ſeines Füllhorns Pracht
Bis duftend, friſch und heiter,
Blum', Hain und Hügel lacht.
Den Sänger aber führet
Er zu der Fluren Glanz,/
Und weckt ſein Herz, und zieret
Ihn mit dem ſchönſten Kranz,
Und flüſtert: „Blum' und Lieder
Erweckte ich für dich!
Nun/ Lieber, ſinge wieder
Und preiſe fröhlich mich!“
Agnes Franz.
Da zieht mit heitern Blicken,
Gerührt von ſo viel Pein,
Das Weltall zu beglücken
Der holde Frühling ein,
Und ſpricht zum düſtren Haine:
„»Auf / grüne ſchnell empor!
Es naht im Sonnenſcheine
Dein Nachtigallen⸗Chor!“
1— — —
— — — h—ꝛ422 ——— — 2—— — —7 ——— — — ———
Die Huſfiten
(Fortletzurnn g.)
In der Kapelle war die Burggemeiade in heiliger
Andacht verſammelt. Gewärtig des Brautpaars
ſtand der Kaplan an dem Altare, Bohuslav, Sophia
und Liba ſtanden ihm nahe auf beiden Seiten.
Da traten die beiden Liebenden in die Kirche ein,
ſie in lieblicher Sammetkleidung wie eine bluͤhende
Roſe leuchtend, aber in dem ſuͤßen Schmelz der
heitern Farbe der Lilien Demuth ſtill bewahrend,