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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823

DOI chapter:
No 131-143 (November 1824)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0697

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NG N

Nro. 143. Sonnabend den . November 1823.

Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.

Dii e Spättraube.

Halt! da ſchattet ja noch hinter dem Blatt, das gelb
Streifte herbſtlicher Hauch, her von der Gartenwand
Eine koͤſtliche Traube:
Sey willkommen, du Spaͤtling, mir!

Jubelnd pfluͤck' ich dich ab: Aermer, als Ithaka's
Bettler, klagt' ich mein Loos, waͤrſt du geleſen ſchon.
Ach, es laͤchelt ein Feſttag,
Und mir perlet kein Troͤpfchen Wein!

Wann auf wolkiger Fluth Hesperus Flagge weht,
So beginn ich geheim⸗froͤhlich das Bachanal:
Meine Traube, ſie gelte
Fur gekeltertes Traubenblut!
Fr. Raßmann.

(Fortſetzun g.).
* 4.
Gewitterluf t.

Fer dinand, deſſen Urlaͤub in den naͤchſten Tagen ablief,

reiste ſo ſchnell als moͤglich in gerader Linie nach Berlin
zurück; Eduard aber begleitete ſeinen Freund, von dem
Bruder ſich in Stargardt trennend, nach ſeinem Wohnorte.
Mit ſchwerem Herzen ſah dieſer die Thͤrme von Damm

begegnet Freund?“ rief Eduard erſtaunt.

und Stettin aufſteigen; der weite unruhige See ſchien ihm

finſtre Unglück-ſchwere Worte entgegenzuſchaͤumen; es war

ihm ſo unheimlich zu Sinn, wie er ſich wieder, aus der
freien Natur zurückkehrend, in die Waͤlle und Mauern der
Veſtung einſperren ſollte, die nicht den Frieden in ſich zu
bergen ſchienen. ö
Sie kamen an, und Guſtav's erſter Gang war natür-
lich zum Kaufmann Schmiedler, der mit ſeinem Vater cor-
reſpondirte, um ſich nach Geſchäften zu erkundigen, eigent-
lich aber, um deſſen Tochter, ſeine geliebte Sophie, zu
ſehen. ö ö ö
Sein Ernſt bei der Ruͤckkehr fiel Eduard auf, und er

fragte ihn darum. „Ein. Haus in Hamburg hat fallirt,“

ſprach jener mit erzwungner Gleichguͤltigkeit; „mein Vater
kann bedeutend verlieren; doch laͤßt ſich vielleicht noch Man-
ches retten. — Laß uns in das Schauſpiel gehen; dort
wirſt Du Sophieen ſehn, wenn es Dich intereſſirt.“ —
„Guſtav, Du biſt heute ſchneidend kalt; was iſt geſchehn?
Fallirt? Sophie? Ob es mich intereſſirt? — Was iſt Dir
„Komm, komm,“
entgegnete jener dringend, „es iſt ſchon ſpaͤt.“ — Im Thea-
ter aber trennten ſie ſich. Guſtav ließ ſeinen Freund allein
im Parterre, und eilte in die Loge zu Sophieen. Dieſer
wollte deshalb faſt auf ihn zuͤrnen, aber er war ja verliebt
und verdiente Nachſicht.
Nach dem Schauſpiele fand ſich Eduard in dem verab-

redeten Weinkeller ein, und bald darauf erſchien auch Guſtav,

noch entzückt, ſich mit Sophieen zwei Stunden ungeſtoͤrt
 
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