Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0079
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No 14-25 (Februar 1823)
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- Einband
- Titelblatt
- [Inhalt]
-
No 1-13 (Januar 1823)
-
No 14-25 (Februar 1823)
-
No 26-39 (März 1823)
-
No 1 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 40-52 (April 1823)
-
No 53-65 (Mai 1823)
-
No 66-78 (Juni 1823)
-
No 2 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 79-91 (Juli 1823)
-
No 92-104 (August 1823)
-
No 105-117 (September 1823)
-
No 3 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 118-130 (Oktober 1823)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
-
No 4 Intelligenzblatt zur Charis
- Inhalt
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro. 16. Mittwoch den 5. Februar 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Grerchens Geiſt. (
alt⸗ſchottiſche Ballade nach David Mallet Esg.
S war um die grauſe Mitternacht,
Wenn Alles liegt im Schlaf,
Als leiſe Gretchens düſtrer Geiſt
Vor Williams Lager trat.
Bleich war ihr Antlitz, wie der Tag
Den Wintersdunſt erfüllt;
Und eiskalt ihre Lilienhand,
Vom Grabeskleid umhüllt.
So wird das reizendſte Geſicht,
Wenn Jugendglanz entfloh'n:
Dieß Kleid ein König ſelber trägt,
Raubt ihm der Tod die Kron'.
(0 Dieſe vortreffliche Ballade iſt aus Percys geſammelten „Religues
of ancient English Poetry“ Vol 5. pag. 330. Eſcheuburg gab eine Ueber-
ſetzung davon, unter der Ueberſchrift: Lykas und Myrtha, in „Urſt-
nus Balladen und Lieder altengliſcher und altſchottiſcher Dichtart 1777.“
Seite 103, und Duſch eine Bearbeitung unter dem Titel: Margare-
thens Geiſt, in der 12. Abtheilung des von Dyk herausgegebenen „Ta-
ſcheubuchs für Dichter und Dichterfreunde 1781.“ Seite 59. Frühere ue-
berſetzungen befinden ſich noch im „Göttinger Muſenalmanach für 1772.
S. 161 und im zweiten Band der Sammlung „Deutſchlands Original-
Dichter 1774.“ Seite 247, von denen ich aber, da mir beide Bücher
nicht zur Hand liegen, die Ueberſetzer nicht angeben kann. Eine Kom-
voſition dieſer Ballade beſwidet ſich in der zweiten Sammlung der
»Lieder mit Melodien von Dr. Weiß, Lübeck 1776. d. H.
Der Frühlingsblume war ſie gleich,
Vom Silberthau erquickt,
Mit holden Maienroſen war
Die Wange ihr geſchmückt.
Doch Liebe riß, ein kalter Sturm,
Die jungen Blüten ab,
Auf ihrer Wang' die Roſe bleicht —
Zu früh ſank ſie ins Grab. —
Auf! rufet ſie, Dreuliebchen iſt's/
Kommt aus dem Grab zur Nacht:
Erbarme dich der armen Maid/
Der Lieb' den Tod gebracht.
Das iſt die Schreckenszeit der Nacht/
Wenn auf das Grab ſich deckt;
Wir wandeln, daß der Geiſterruf
Treuloſe Männer ſchreckt.
Bedenke, William, Dein Vergeh'n,
Den Eidſchwur, den Du brachſt:
O gib der Maid ihr Wort zurück/
Zurück, was Du verſprachſt l.
Was prüfteſt meine Neize Du/
und floheſt treulos mich?
Haſt Du dieß reine Herz bethört,
Zum Wehe über Dich?
Nro. 16. Mittwoch den 5. Februar 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Grerchens Geiſt. (
alt⸗ſchottiſche Ballade nach David Mallet Esg.
S war um die grauſe Mitternacht,
Wenn Alles liegt im Schlaf,
Als leiſe Gretchens düſtrer Geiſt
Vor Williams Lager trat.
Bleich war ihr Antlitz, wie der Tag
Den Wintersdunſt erfüllt;
Und eiskalt ihre Lilienhand,
Vom Grabeskleid umhüllt.
So wird das reizendſte Geſicht,
Wenn Jugendglanz entfloh'n:
Dieß Kleid ein König ſelber trägt,
Raubt ihm der Tod die Kron'.
(0 Dieſe vortreffliche Ballade iſt aus Percys geſammelten „Religues
of ancient English Poetry“ Vol 5. pag. 330. Eſcheuburg gab eine Ueber-
ſetzung davon, unter der Ueberſchrift: Lykas und Myrtha, in „Urſt-
nus Balladen und Lieder altengliſcher und altſchottiſcher Dichtart 1777.“
Seite 103, und Duſch eine Bearbeitung unter dem Titel: Margare-
thens Geiſt, in der 12. Abtheilung des von Dyk herausgegebenen „Ta-
ſcheubuchs für Dichter und Dichterfreunde 1781.“ Seite 59. Frühere ue-
berſetzungen befinden ſich noch im „Göttinger Muſenalmanach für 1772.
S. 161 und im zweiten Band der Sammlung „Deutſchlands Original-
Dichter 1774.“ Seite 247, von denen ich aber, da mir beide Bücher
nicht zur Hand liegen, die Ueberſetzer nicht angeben kann. Eine Kom-
voſition dieſer Ballade beſwidet ſich in der zweiten Sammlung der
»Lieder mit Melodien von Dr. Weiß, Lübeck 1776. d. H.
Der Frühlingsblume war ſie gleich,
Vom Silberthau erquickt,
Mit holden Maienroſen war
Die Wange ihr geſchmückt.
Doch Liebe riß, ein kalter Sturm,
Die jungen Blüten ab,
Auf ihrer Wang' die Roſe bleicht —
Zu früh ſank ſie ins Grab. —
Auf! rufet ſie, Dreuliebchen iſt's/
Kommt aus dem Grab zur Nacht:
Erbarme dich der armen Maid/
Der Lieb' den Tod gebracht.
Das iſt die Schreckenszeit der Nacht/
Wenn auf das Grab ſich deckt;
Wir wandeln, daß der Geiſterruf
Treuloſe Männer ſchreckt.
Bedenke, William, Dein Vergeh'n,
Den Eidſchwur, den Du brachſt:
O gib der Maid ihr Wort zurück/
Zurück, was Du verſprachſt l.
Was prüfteſt meine Neize Du/
und floheſt treulos mich?
Haſt Du dieß reine Herz bethört,
Zum Wehe über Dich?