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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823

DOI chapter:
No 118-130 (Oktober 1823)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0636

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Le ſer.

Nro. 130. Mittwoch den 20. Oktober 1823.

Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.

Orm und ullin.

Voll Blumen blühte ein Garten ö
In dieſem ſtanden die Helden, die Barden; —
Die Helden trieben Waffenſpiel, ö
Fern hin ſie die ſcharfen
Sauſenden Speere warfen,
Die Barden ſangen der Lieder viel,
Suͤß klangen die Stimmen der Harfen,
Da toͤnten die Thaten verſchwundener Tage
Und alſo der Helden Todtenklage

ö ö 10 — ö
Die Sonne ſinket hinab, ſie ſcheidet mit blutrothem Strahle
Ruhe tritt in das Feld, Stille ſchwebt in dem Thale,
Da ſitzen die Helden all, zuſummen im alten Saale,
Düſter blicken die Helden al,
Sie denken ihres Fuhrers Fall, ——
Orm, der Füͤhrer, der den ſchweren Schild getragen,

Nach wild tobender Schlacht kreiſet das Horn beim Mahle.

Liegt von des Feindes ſcharfem Beil erſchlagen. —

Ullin ſitzt ſtill verſchloſſen,

Voll Seufzer die Bruſt, voll Thränen den Blick übergoſen,

Seine Seele eilt zu den Tagen,

Da ſein Herz an des Freundes Bruſt geſchlagen;

Vergeblich blickt manch ſchoͤne Saͤngerin
Nach ſeinem Schmerz, nach ſeiner Trauer hin,
Er achtet nicht, was Frauenblicke ſagen,

Denn Orm war all ſein Lieben, Orm iſt nun all ſein Klagen.

Horch, wild brausts durch

Leuchtet nicht ihr milden Augenſterne,
Sucht es nicht, den ſeinen zu begegnen,
Nimmer wird der Liebe Glück ihn ſegnen,
All ſein Lieben wandert in der Ferne;
Ruͤhret Maͤdchen nicht mit Lilienhaͤnden
Goldne Harfen, ſingt nicht ſüße Töͤne,
Kaltes Eis iſt er füͤr eure Schöne,
Feuer glimmt nicht aus erloſchnen Braͤnden.
Stiller Ernſt in jedem Heldenantlitz ruhte,
Wer troͤſtet Ullin in traurigem Muthe? —

Eignem Schmerz iſt jeder überlaſſen,

Finſter blitzt Ullin aus thraͤnennaſſen,
Rothgeweinten Augen, weiß ſich nicht zu faſſen. —
2.
die Nacht,
Des Sturmes Geheul graͤßlich erwacht,
Durch die Lüfte ziehen die finſteren Heere,
Geiſter ſchleudern die gluͤhenden Speere,
Blutroth ziehts herauf aus dem Meere;

Von den Felsſpitzen, zwiſchen ſtürzenden Steinen
Stoͤnet Klagen und Weinen, ö

Donner⸗Gebruͤͤll und Toben;

Auf iſt der Meergrund gehoben
Die Wogen wollen in wilder Wuth
Die Erde reißen in die Fluth,

Der Regen ſtrömt, der Bergſtrom ſchwillt,
Donnernd, reißt er die Felſen herunter,
Blitze zeigen ein Todtengefild,
 
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