Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0257
DOI Kapitel:
No 53-65 (Mai 1823)
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- Einband
- Titelblatt
- [Inhalt]
-
No 1-13 (Januar 1823)
-
No 14-25 (Februar 1823)
-
No 26-39 (März 1823)
-
No 1 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 40-52 (April 1823)
-
No 53-65 (Mai 1823)
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No 66-78 (Juni 1823)
-
No 2 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 79-91 (Juli 1823)
-
No 92-104 (August 1823)
-
No 105-117 (September 1823)
-
No 3 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 118-130 (Oktober 1823)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
-
No 4 Intelligenzblatt zur Charis
- Inhalt
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
II..... ö
—
2
——
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro. 53. Sonnabend den 3. Mai 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Kranke Liebe.
ö (SFortfetzun g.)
Der bekuͤmmerte Vater konnte nichts thun, als
ſeine Getreuſten auf allen Seiten dem entſchwunde-
nen Kleinod nachſenden. Der Schreck, die Angſt
und Sorge hatten ihn kraͤnker darniedergeſtreckt, und
ſchlafloſe Naͤchte, ſchmerzvolle Tage entkraͤfteten
ihn. Da ward es ihm, als ob es wohl moglich
ſehn koͤnnte, daß dieſer neue Kummer ſeinen Tod
beſchleunigen wuͤrde, und die leidende Bruſt ſehnte
ſich nach irgend einem Weſen, das die Buͤrde des
Unngluͤcks ihr tragen helfen konne. Er erinnerte
ſich wie es ihm allemal das Herz erleichtert, wenn
er im Schoos der Kirche das allgemeine Bekenntniß
ſeiner Betruͤbniß abgelegt. Als daher eines Abends
ein alter Ritter als Gaſt bei ihm ſaß und ihn mit
Kriegsgeſpraͤch aus jugendlicher Vergangenheit un-
terhielt, da empfand Herr Werner, dies ſey der
erprobte Mann, der ſein Vertrauen verdiene, und.
er loͤßte die Riegel ſeines Innern vor ihm, und
theilte ihm ſeine truͤben Erinnerungen mit:
In Welſchland, ſprach der Vater Florimunds/
Wo ich gefolgt des Kaiſer Friedrichs Fahnen,
Erfreut' ich mich des ſchönſten Freundſchaftsbunds.
Denn Hugo von dem Stamme der Germanen
Der tugendhaft Italien errungen,
War mein Gefährte auf des Ruhmes Bahnen.
Zwar hatt' ihn längſt dies ſchöne Land bezwungen
Durch Deſiderie, ſeine ſchönſte Blüthe,
Von deren Lippen ihm das Ja erklungen
Zum Wunſche, der ſein treues Herz durchglühte,
Und in ihr fühlt' er heimiſch erſt verbunden
Den nord'ſchen Sinn dem ſüdlichen Gebiete.
Von Kämpfen auszuruhn und leichten Wunden,
Die wir getheilt in inniglicher Treue,
Genoſſen wir der Muße raſche Stunden
Auf ſeinem Schloß, wo zu der Freundſchaft Weihe
Die holde Frau des Frühlings Anmuth brachte,
Doch ach! wie ſo verderblich für uns dreie!
Denn ſchneller als wohl ſie und ich es dachte,
Erſchienen uns verfehlt die eignen Looſe,
Wieil uns nur jetzt die erſte Lieb' erwachte.
Wir beid' empfanden, was in Herzen toſe,
Die, ſich berührend, auf in Flamme ſteigen
Zum erſtenmal; die arme Ruheloſe
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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro. 53. Sonnabend den 3. Mai 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Kranke Liebe.
ö (SFortfetzun g.)
Der bekuͤmmerte Vater konnte nichts thun, als
ſeine Getreuſten auf allen Seiten dem entſchwunde-
nen Kleinod nachſenden. Der Schreck, die Angſt
und Sorge hatten ihn kraͤnker darniedergeſtreckt, und
ſchlafloſe Naͤchte, ſchmerzvolle Tage entkraͤfteten
ihn. Da ward es ihm, als ob es wohl moglich
ſehn koͤnnte, daß dieſer neue Kummer ſeinen Tod
beſchleunigen wuͤrde, und die leidende Bruſt ſehnte
ſich nach irgend einem Weſen, das die Buͤrde des
Unngluͤcks ihr tragen helfen konne. Er erinnerte
ſich wie es ihm allemal das Herz erleichtert, wenn
er im Schoos der Kirche das allgemeine Bekenntniß
ſeiner Betruͤbniß abgelegt. Als daher eines Abends
ein alter Ritter als Gaſt bei ihm ſaß und ihn mit
Kriegsgeſpraͤch aus jugendlicher Vergangenheit un-
terhielt, da empfand Herr Werner, dies ſey der
erprobte Mann, der ſein Vertrauen verdiene, und.
er loͤßte die Riegel ſeines Innern vor ihm, und
theilte ihm ſeine truͤben Erinnerungen mit:
In Welſchland, ſprach der Vater Florimunds/
Wo ich gefolgt des Kaiſer Friedrichs Fahnen,
Erfreut' ich mich des ſchönſten Freundſchaftsbunds.
Denn Hugo von dem Stamme der Germanen
Der tugendhaft Italien errungen,
War mein Gefährte auf des Ruhmes Bahnen.
Zwar hatt' ihn längſt dies ſchöne Land bezwungen
Durch Deſiderie, ſeine ſchönſte Blüthe,
Von deren Lippen ihm das Ja erklungen
Zum Wunſche, der ſein treues Herz durchglühte,
Und in ihr fühlt' er heimiſch erſt verbunden
Den nord'ſchen Sinn dem ſüdlichen Gebiete.
Von Kämpfen auszuruhn und leichten Wunden,
Die wir getheilt in inniglicher Treue,
Genoſſen wir der Muße raſche Stunden
Auf ſeinem Schloß, wo zu der Freundſchaft Weihe
Die holde Frau des Frühlings Anmuth brachte,
Doch ach! wie ſo verderblich für uns dreie!
Denn ſchneller als wohl ſie und ich es dachte,
Erſchienen uns verfehlt die eignen Looſe,
Wieil uns nur jetzt die erſte Lieb' erwachte.
Wir beid' empfanden, was in Herzen toſe,
Die, ſich berührend, auf in Flamme ſteigen
Zum erſtenmal; die arme Ruheloſe