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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823

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No 14-25 (Februar 1823)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0074

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nro. 15. Montag den 3. Februar 1823.

Verantwortlicher Redakteur un d Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.

Der Winter.

(Rach Ambroſe Philip 3.)
Wo Froſt und Schnee umhüllt das weite Land,
Der Nord die Flut mit ſtarken Feſſeln band,
O Freund! was kann von hier die Muſe bringen,
Wie ſoll ich unter'm Pol zur Laute ſingen?
Was ſonſt erweckte Lieder, Scherz und Tanz,
Birgt Winters Teppich mit dem Silberglanz:
Thal, Hügel, auch des hohen Meeres Wellen,
Die Hirtenau, und ſpiegelreine Quellen,
Umwallet Duft, man kennt die Gegend nicht;
Denn ringsum täuſcht das Aug' ein blendend Licht.

Ich höre keine munt're Fliege ſummen,
Die Vögel in der ͤoden Flur verſtummen,
Fern trotzt ein Schiff dem tobenden Orkan,
Und Wägen rollen auf dem Ocean.
Dem Leviathan fehlt des Spielraums Weite,
Er ſpeit empor der Flut gewalt'gen Strahl;
Am Ufer ſucht der gier'ge Wolf die Beute,
Und heult bei Nacht im eisbedeckten Thal.
Sieh! wie der Belt dort weit gefroren glänzet!
Die Fläche breitet gläſern ſich und weiß,
Von einem Gletſcherfelſen hoch begrenzet,
Und Alpen thürmen ſich von grünem Eis.

Doch nicht nur Grau'n iſt dieſem Winter eigen;
Er will ſich auch in ſeiner Schöne zeigen:
Es ſinkt der Schnee aus grauer Wolken Duft,
Gejagt vom Winde ſpielend durch die Luft;
Am Abend hüpft der Schneefloh dir entgegen,
In manche Form gefriert des Himmels Regen;

Wenn Nacht und ihre Schatten ſich zerſtreu'n,

Zeigt neu die Flur des Morgens Purpurſchein:

Sie ſtellt verwandelt dar ſich unſern Blicken,

Und ſcheint ſich neu und glanzvoll auszuſchmücken;

Ein jeder Strauch, ein jedes Hälmchen Gras,

Und Dorngebüſche, ſind wie flimmernd Glas;
Perl' und Rubin ſeh' ich am Hagdorn blinken,
Roth ſchimmern Beeren aus dem Eis hervor;
Wie blanke Speer' im Kriegeslager winken,
So ragt aus Sümpfen dichtgewachſ'nes Nohr;
Es ſieht der Hirſch in jenes Baches Spiegel
Verwundert ſein kryſtallenes Geweih
Vom Reif gepudert ſteh'n am fernen Hügel
Birk', Eiche, Buch' und Tann' in ſtolzer Reih';
Kein Vogel will auf nackte Zweige fliegen,
Die knarrend ſich im Strahl der Sonne wiegen.

Doch wenn ein Sturm durchſaust den hohen Wald,/

Zerſtäubt das Eis in kleine Theilchen bald;

Es beugt der Wind den Strauch im Schimmerkleide,
Und ſilbern fährt Geſtö ber durch die Haide.
Drauf, wenn Aeol von Süden wärmend weht,
uUnd in den Au'n der Winterſchmuck vergeht,

Der ODichter befand ſich 1709, als Sekretär des engl. Geſandten,
in Koppenhagen. Die nordiſche Winternatur gab den Stoff zu gegen-
wärtiger Exiſtel an ſeinen Freund, den Grafen von Dorſet in London.
 
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