Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0602
DOI Kapitel:
No 118-130 (Oktober 1823)
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- Einband
- Titelblatt
- [Inhalt]
-
No 1-13 (Januar 1823)
-
No 14-25 (Februar 1823)
-
No 26-39 (März 1823)
-
No 1 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 40-52 (April 1823)
-
No 53-65 (Mai 1823)
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No 66-78 (Juni 1823)
-
No 2 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 79-91 (Juli 1823)
-
No 92-104 (August 1823)
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No 105-117 (September 1823)
-
No 3 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 118-130 (Oktober 1823)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
-
No 4 Intelligenzblatt zur Charis
- Inhalt
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro. 123. Montag den 13. Oktober 1823.
Verantwortlich er Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach,
Wahre Freuden.
»daſcht nahen Vortheil ohne Müͤhe!⸗
„Was euch das Herz, die Klugheit raͤth.
I„Pflückt ſchoͤne Roſen in der Frühe!
„Am Abend iſts vielleicht zu ſpaͤt.“ —
So ruft in modiſchem Gewande
Dir Antiweisheit freundlich zu.
Sie führt Dich zu des Abgrunds Rande
Fleuch! — Meine Lehren übe Du!
Beſcheiden ſind die wahren Freuden:
Sie locken nie, ſie prahlen nicht.
Doch, wird der Richter einſt entſcheiden,
Dann gilt ihr Zeugniß im Gericht.
Sie ſind Geſpielinnen der Ehre,
Der Tugend. — Sucher finden ſie,
Und in der beſſern Geiſter Sphaͤre
Beſeligt ihre Harmonie.
Haug.
—.— ——— — ——— —.— — ———
Adelber t.
ö (Fortſetzun g.) ö
In dunkler Nacht ritten beide nach der Schenke hin, welche
alsbald von einem Haufen der Empoͤrer umringt war, weil
man in Berlichingen ein Mißtrauen ſetzte. Beide zechten
nun wacker zuſammen und je mehr der koͤſtliche Wein den
Juͤngling zu begeiſtern ſchien, um deſto mehr fuͤhlte er ſich
zu dem Hauptmann hingezogen, deſſen biedre Treue und
gereifte Erfahrung ihn voͤllig gefangen hielten. Die Liebe
zu Thereſen hinderte noch einen beſtimmten Entſchluß.
Goͤtz war nach ſeiner Gewohnheit ernſt und kalt; nur zu-
weilen verſuchte er ein ſcherzhaftes Wort, wie er wohl
vor langen Jahren gethan hatte — allein es wollte ihm
nicht recht anſtehen, das bittre Gefuͤhl ſeiner Verhaͤltniſſe
und das ungewiſſe Ende ſeines jetzigen Abentheuers drückte
und laͤſtigte ihn beſtaͤndig. ö
Endlich kam die aͤußerſte Vorwacht am Waldende und be-
richtete, daß ein Ritter zu Roß mit einem Wagen angefahren
ſey; ſie haͤtten ihm nicht den geringſten Argwohn beigebracht
und da er gleich in die Schenke kommen wolle, ſo möge
der Hauptmann ſein Urtheil ſprechen. ö
Der Wagen fuhr an und ein junger Ritter im himmel-
blauen Wamms und blanken Stahlpanzer, eine kraͤftig
ſchoͤne Geſtalt, geleitete eine ſchwarzverhüllte Dame herein.
Er ſchien hoͤchlich verwundert, noch unwillkommne Gaͤſte zu
erblicken und zwang ſich zu einem freundlichen Abendgruß,
als aber der Hauptmann das Oellämpchen ſchob, ſo daß
ihn der Fremde ganz erblicken konnte, ſetzte dieſer den eben
erfaßten Lehnſeſſel wieder hin und war unſchlüſſig, ob er
bleiben oder gehen ſolle. Als ſich aber Goͤtz mit gleichgul-
tiger Rede an Adelbert wendete, rückte jener den Seſſel
vor und bot der Dame ihre Bequemlichkeit. Aus allen Be-
wegungen des Fremden ſprach Zorn und Stolz und als er
Nro. 123. Montag den 13. Oktober 1823.
Verantwortlich er Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach,
Wahre Freuden.
»daſcht nahen Vortheil ohne Müͤhe!⸗
„Was euch das Herz, die Klugheit raͤth.
I„Pflückt ſchoͤne Roſen in der Frühe!
„Am Abend iſts vielleicht zu ſpaͤt.“ —
So ruft in modiſchem Gewande
Dir Antiweisheit freundlich zu.
Sie führt Dich zu des Abgrunds Rande
Fleuch! — Meine Lehren übe Du!
Beſcheiden ſind die wahren Freuden:
Sie locken nie, ſie prahlen nicht.
Doch, wird der Richter einſt entſcheiden,
Dann gilt ihr Zeugniß im Gericht.
Sie ſind Geſpielinnen der Ehre,
Der Tugend. — Sucher finden ſie,
Und in der beſſern Geiſter Sphaͤre
Beſeligt ihre Harmonie.
Haug.
—.— ——— — ——— —.— — ———
Adelber t.
ö (Fortſetzun g.) ö
In dunkler Nacht ritten beide nach der Schenke hin, welche
alsbald von einem Haufen der Empoͤrer umringt war, weil
man in Berlichingen ein Mißtrauen ſetzte. Beide zechten
nun wacker zuſammen und je mehr der koͤſtliche Wein den
Juͤngling zu begeiſtern ſchien, um deſto mehr fuͤhlte er ſich
zu dem Hauptmann hingezogen, deſſen biedre Treue und
gereifte Erfahrung ihn voͤllig gefangen hielten. Die Liebe
zu Thereſen hinderte noch einen beſtimmten Entſchluß.
Goͤtz war nach ſeiner Gewohnheit ernſt und kalt; nur zu-
weilen verſuchte er ein ſcherzhaftes Wort, wie er wohl
vor langen Jahren gethan hatte — allein es wollte ihm
nicht recht anſtehen, das bittre Gefuͤhl ſeiner Verhaͤltniſſe
und das ungewiſſe Ende ſeines jetzigen Abentheuers drückte
und laͤſtigte ihn beſtaͤndig. ö
Endlich kam die aͤußerſte Vorwacht am Waldende und be-
richtete, daß ein Ritter zu Roß mit einem Wagen angefahren
ſey; ſie haͤtten ihm nicht den geringſten Argwohn beigebracht
und da er gleich in die Schenke kommen wolle, ſo möge
der Hauptmann ſein Urtheil ſprechen. ö
Der Wagen fuhr an und ein junger Ritter im himmel-
blauen Wamms und blanken Stahlpanzer, eine kraͤftig
ſchoͤne Geſtalt, geleitete eine ſchwarzverhüllte Dame herein.
Er ſchien hoͤchlich verwundert, noch unwillkommne Gaͤſte zu
erblicken und zwang ſich zu einem freundlichen Abendgruß,
als aber der Hauptmann das Oellämpchen ſchob, ſo daß
ihn der Fremde ganz erblicken konnte, ſetzte dieſer den eben
erfaßten Lehnſeſſel wieder hin und war unſchlüſſig, ob er
bleiben oder gehen ſolle. Als ſich aber Goͤtz mit gleichgul-
tiger Rede an Adelbert wendete, rückte jener den Seſſel
vor und bot der Dame ihre Bequemlichkeit. Aus allen Be-
wegungen des Fremden ſprach Zorn und Stolz und als er