Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0472
DOI Kapitel:
No 92-104 (August 1823)
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- Einband
- Titelblatt
- [Inhalt]
-
No 1-13 (Januar 1823)
-
No 14-25 (Februar 1823)
-
No 26-39 (März 1823)
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No 1 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 40-52 (April 1823)
-
No 53-65 (Mai 1823)
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No 66-78 (Juni 1823)
-
No 2 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 79-91 (Juli 1823)
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No 92-104 (August 1823)
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No 105-117 (September 1823)
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No 3 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 118-130 (Oktober 1823)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
-
No 4 Intelligenzblatt zur Charis
- Inhalt
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
Rheiniſche Morgenzeitung für gebildete Leſer.
Nro. 97. Mittwoch den 13. Auguſt 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Erſter Sennenblick.
Es war ein ſchoͤner heitrer Frühlingsmorgen,
Als mir dein ſanfter Blick entgegenkam;
Zur Haͤlfte ſchon die ſchwererwachten Sorgen,
Von meinem Buſen nahm.
Du winkteſt mir — o ſelig dein Erſcheinen,
Ich athmete die kuͤhle Maienluft,
Und eine ſanfte Thräne konnt' ich weinen
Hinab in Freundesgruft.
Ich blickt' umher, voll leiſen innern Bebens,
Das Thal erhellt ein milder Sonnenblick,
Und freundlich ſank der erſte Strahl des Lebens
In meine Bruſt zurück. * ö
Caroline Still.
— — ———2—f—.Ü—p — — — — —. — —
— —227——
Die Kur.
ö (Fortſetzun g.) ö
»Der Amtmann hat bereits in ſeinem Hauſe die Wohnung
der Officiers bereitet, indem das Fraͤulein bat, alle Un-
ruhen ſa viel wie moͤglich von dem Schloß zu entfernen.“
„„Reinhold, Regiments⸗Arzt:“ las die Varonin weiter.
»„Irre ich nicht, ſo iſt dieſer Name rühmlich bekannt, ſo
ſendet der Zufall die erwünſchte Hülfe!““ — ö
— Sie gebot nun, das Zimmer für den hülfreichen
Gaſt im Schloße anzuordnen, und ſah-in dem Zuſam-
mentreffen ihres Wunſches und dieſem ſeltſamen Ohnge
faͤhr eine Vorbedeutung, welche über ihre fruͤheren Grund-
ſätze ſiegte, und ihr Vertrauen ſchon in Voraus dem frem-
den Gaſte gewann. —
Als Betty die Augen aufſchlug, war die Sonne bereits
hoch emporgeſtiegen. Am Fenſter wirbelten die hungri-
gen Vögel, draußen aber in einiger Entfernung die Trom-
mel des einziehenden Militaͤrs. Wohl waͤre es dem Fraͤu⸗
lein zu verzeihen geweſen, welches in der tiefen Stille,
in welcher es erzogen war, noch wenig von dem bunten
Leben der Welt, noch weniger von dem abentheuerlichen
Treiben der Krieger erfahren hatte, wenn es in der Er-
wartung der neuen Erſcheinung der mahnenden Stimmen
der kleinen Saͤnger uͤberhoͤrt haͤtte; aber das gute Kind
lehnte den ſchnell geoffneten Fenſterladen noch einmal er-
röthend zurüͤck und entſchuldigte ſich gleichſam bei ihren
Pflegebefohlnen, indem ſie ihnen das Futternaͤpfchen hö-
her als gewöhnlich füllte.
So eben zog das Bataillon in ſchöͤner Ordnung zum
Thor herein. Es war in dem Frühling des Jahrs 1813,
wo der gewaltige Geiſt der Zeit jeder ähnlichen Erſchei-
nung, hoͤhere Bedeutſamkeit, größeres Intereſſe verlieh.
Von ihren Blumentoͤpfen verborgen, jedem Spaͤherauge
unſichtbar, betrachtete die ſittſame Betty mit ſtillem Wohl-
gefallen, das bunte, bewegliche Bild. Sie ſah in jedem Ein-
zelnen den Vertheidiger ihres Vaterlandes, den Helden
Nro. 97. Mittwoch den 13. Auguſt 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Erſter Sennenblick.
Es war ein ſchoͤner heitrer Frühlingsmorgen,
Als mir dein ſanfter Blick entgegenkam;
Zur Haͤlfte ſchon die ſchwererwachten Sorgen,
Von meinem Buſen nahm.
Du winkteſt mir — o ſelig dein Erſcheinen,
Ich athmete die kuͤhle Maienluft,
Und eine ſanfte Thräne konnt' ich weinen
Hinab in Freundesgruft.
Ich blickt' umher, voll leiſen innern Bebens,
Das Thal erhellt ein milder Sonnenblick,
Und freundlich ſank der erſte Strahl des Lebens
In meine Bruſt zurück. * ö
Caroline Still.
— — ———2—f—.Ü—p — — — — —. — —
— —227——
Die Kur.
ö (Fortſetzun g.) ö
»Der Amtmann hat bereits in ſeinem Hauſe die Wohnung
der Officiers bereitet, indem das Fraͤulein bat, alle Un-
ruhen ſa viel wie moͤglich von dem Schloß zu entfernen.“
„„Reinhold, Regiments⸗Arzt:“ las die Varonin weiter.
»„Irre ich nicht, ſo iſt dieſer Name rühmlich bekannt, ſo
ſendet der Zufall die erwünſchte Hülfe!““ — ö
— Sie gebot nun, das Zimmer für den hülfreichen
Gaſt im Schloße anzuordnen, und ſah-in dem Zuſam-
mentreffen ihres Wunſches und dieſem ſeltſamen Ohnge
faͤhr eine Vorbedeutung, welche über ihre fruͤheren Grund-
ſätze ſiegte, und ihr Vertrauen ſchon in Voraus dem frem-
den Gaſte gewann. —
Als Betty die Augen aufſchlug, war die Sonne bereits
hoch emporgeſtiegen. Am Fenſter wirbelten die hungri-
gen Vögel, draußen aber in einiger Entfernung die Trom-
mel des einziehenden Militaͤrs. Wohl waͤre es dem Fraͤu⸗
lein zu verzeihen geweſen, welches in der tiefen Stille,
in welcher es erzogen war, noch wenig von dem bunten
Leben der Welt, noch weniger von dem abentheuerlichen
Treiben der Krieger erfahren hatte, wenn es in der Er-
wartung der neuen Erſcheinung der mahnenden Stimmen
der kleinen Saͤnger uͤberhoͤrt haͤtte; aber das gute Kind
lehnte den ſchnell geoffneten Fenſterladen noch einmal er-
röthend zurüͤck und entſchuldigte ſich gleichſam bei ihren
Pflegebefohlnen, indem ſie ihnen das Futternaͤpfchen hö-
her als gewöhnlich füllte.
So eben zog das Bataillon in ſchöͤner Ordnung zum
Thor herein. Es war in dem Frühling des Jahrs 1813,
wo der gewaltige Geiſt der Zeit jeder ähnlichen Erſchei-
nung, hoͤhere Bedeutſamkeit, größeres Intereſſe verlieh.
Von ihren Blumentoͤpfen verborgen, jedem Spaͤherauge
unſichtbar, betrachtete die ſittſame Betty mit ſtillem Wohl-
gefallen, das bunte, bewegliche Bild. Sie ſah in jedem Ein-
zelnen den Vertheidiger ihres Vaterlandes, den Helden