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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823

DOI Kapitel:
No 92-104 (August 1823)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0504

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Nro. 104. Sonnabend den 30. Auguſt 1823.

Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.

Der Mö noch.

1. In der Kloſterkirche.

Geſang zur Orgel im Ehor.
Schweigend, von der Nacht umfangen
Ruht die Welt in Frieden aus,
Uns allein treibt das Verlangen
Sehnend in das Gottes-Haus.
Unſ're Lieder
Toͤnen wieder,
Segen ſtrömet auf uns aus!
Moönch.
Ohne Raſt und ohne Frieden
Hab' ich manche lange Nacht
In der Kirche zugebracht;
Ruhe ward mir nicht beſchieden. —
Meines Buſens wildes Feuer
Reißt die Feſſeln jetzt entzwei,
Ungeſtuͤmes Ungeheuer
2 Wirſt von deiner Kette frei. —
Weh! die kalte Mitternacht
Hat mir keinen Troſt gebracht!
Treibt's mich doch die Welt zu haſſen,
Ja, ſie nahm mein Paradies,
Da ſie mich ins Kloſter ſtieß;
Einſam bin ich hier, verlaſſen,
Winde mich im niedern Staube;
Biſt ein Gott der Milde du?ꝰ

b

Gib denn, daß ich wieder glaube
Oder gib mir ew'ge Ruh;
Schließe dieſe Augen mir
Oder ſtille die Begier.
Geſang.
Vater, blicke ſegnend nieder
Aus dem ew'gen Sternenſaal;
Unſer Geiſt im Strom der Lieder
Schwingt ſich aus dem Erdenthal,
Voll Erbarmen
Gonn' uns Armen
Deines Auges reinen Strahl.
Mönch.

Meine Freiheit iſt verloren;

Bin ich denn zum Fluch geboren
Hier lebendig⸗todt zu ſchmachten? —
Eingefangen hier in Grabeshaft:
Modert meine friſche Lebenskraft;
Darf mich ſelber nicht betrachten
Ohne ſelber mich zu haſſen; —
Wie ſoll ich dies Rathſel faſſen? —
Martert eines guten Vaters Hand,
Eh ſie noch die Kinder ſtraͤflich fand? —
Wohl, was hab denn ich begangen?

Iſt es Sunde dies Verlangen,

Welches durch mein Weſen brennt,
Von mir ſelbſt mich ſelber trennt.

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