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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823

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No 92-104 (August 1823)
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Nachrichten uͤber Kunſt, Leben und Wiſſenſchaft.

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Chronik der Großh. Schaubuͤhne zu Mannheim.

Freitag, den 15. Auguſt, 1823. „Der leichtſinnige Lügner.““
Luͤuſtſpiel in 3 Abtheilungen, von F. L. Schmidt.
(Siehe Nro. 72. 1822.) ͤ
Bei Beurtheilung dieſes unterhaltenden Luſtſpiels, welches auch heute
wie am 29. Auguſt glücklich vom Stapel lief, brauchen wir nur der
ſechsten Gaſtrolle des Herrn Kaibel, als Seliy Wahr, und der Frau
von Buſch / als Madame Weſten, zu erwähnen, da wir die verdienſt-
lichen Daͤrſtellungen des Herrn Thürnagel — Haſtan, der Madame
Rüppell — Florine, des Hrn. Grua d. JI. — Loder„ und, anderer/
in der oben angezeigten Nummer bereits anerkannt haben. Die Lei-
ſtung des Herrn Kaibel war in allen Theilen wohl durchdacht. Ein
ſchnellerer Ton der Rede unterſchied die lügenhaften Erzählungen von

dem einfachen Geſpräch des geſeliſchaftlichen Lebens, um die

Gedankenlsſigkeit zu bezeichnen / womit er blos einer übeln Gewohn-
heit und der Sucht durch Verſtand zu glänzen, fröhnt. Ueberall
blickte das beſſere Herz und der flüchtige Eindruck der Ermahnung
hindurch, ehe er wieder in ſeine Lieblingsſünde, die des Lügens,
verfiel. Nichts ſtörte uns in der Zurückgebung dieſes wohl durchge-
führ ten Characters „ man müßte denn einige Wortverwechſelungen,
erzeugt durch die Eilfertigkeit der oft alzu geflügelten Worte, dahin
rechnen wollen. Die Darſtellung der Frau von Buſch war ein durch ·
aus unverbeſſerliches, ſehr wohl gelungenes, von aller kleinlichen
Ziererei freies völlig anſpruchloſes, und eben darum ſehr anſprechen-
des Gemälde einer mütterlichen Freundinn, die ſowohl in ihrer
Aeußerlichkeit mit der Zeit fortgeſchritten, als auch mit ihren Rei-
gungen und Grundſätzen völtig aufs Reine gekommen iſt. Dergleichen
gehaltvolle aus der Natur ihrer Weſenheit geſchöpfte Darſtellungen,
wollen nicht, wie manche dieſer Art, durch Karrikatur glänzen und
den Haufen beluſtigen, ſondern den Kenner befriedigen.
Erla ch.

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Korreſpondenz⸗Nachrichten.

Darmſtadt, den 18. Jul, 1823.

SKortſetung.
Am 17. Juni. „Der Fürſt und der Bürger.“ Drama in 3 Aufzügen/
von Houwald. ö
Am 20. „Die Sparbüchſe“, oder: „der arme Candidat.“ Luſtſpiel
in 1 Akt, von Kotzebue. Hierauf: „Der Dichter und der Schauſpieler“,
oder: „das Luſtſpiel im Luſtſpiel. In 3 Akten von Lembert.
Am 22. „Merope“; wiederholt.
Am 24. „Der Geizige.“ Luſtſpiel in 5 Akten.
Am 27. „Der Wunderſchrank.“ Original ⸗„Luſtſpiel in 4 Akten,
von Holbein. — Zum Erſtenmale. —
Eine Wunderthat hat Herr Holbein in dieſem Wunderſchranke
eben nicht gethan. Ohne Witz bewegt ſich das Stück in allerdings
komiſchen Lagen, unerhörte Effektſzenen ſollen dieſen erſetzen, und das
Ganze würzen aber — faſt möchten wir es ſagen — ſie verſalzen es
nur. Die Charaktere ſind größtentheils alt; die neuen ſind ſchlecht
gewählt, noch ſchlechter ausgefüthrt. Wir rechnen dahin den Dichter
Dahlberg, der eine recht erbärmliche Figur ausmacht, wodurch auch alle ihn
betreffenden Verhältniſſe unbegreiflich werden. Die Julie ſcheint uns
etwas verſchleiert zu ſeyn, und ſie thut vielleicht nicht übel daran,
ihren Charakter ein wenig zu verbergen. Mad. Hähnle gab ſie
überdies ſo wenig angenehm und anziehend, daß uns um ſo mehr die
ganze Zeichnung ein Räthſel bleibt. Dem. Wohlbrück eignete ſich

auch nicht für die Rolle der Mathilde. Die Grundzüge dieſer Parthie,

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Heiterkeit, Laune und ſelbſt einiger Leichtſinn fehlten ganz. Die
Emilie von Dem. Dardaillon dargeſtellt, verfehlte nicht nur ganz ihre
Wirkung, — ſondern ſie ward faſt lächerlich. Dem. D. iſt für ſolche
Rollen, die bei ihrer mangelhaften Zeichnung ſchwierig ſind, noch zu

ſehr Anfängerin. Es läßt ſich aus der unvollkommnen Beſetzung der

weiblichen Charaktere ſchließen, daß das Ganze nicht ſehr angeſprochen
haͤt, da dieſe, außer Rührig, die Hauptfiguren in dieſem Luſtſpiele
machen. Den letztern gab Herr Fiſcher. Wir zweifeln nicht, daß das
Werk ganz durchgefallen wäre, wenn Herr Fiſcher durch ſein äußerſt
lebendiges, reges Spiel nicht allgemein beluſtigt hätte. Er ging mit
tiefem Forſcherblick in die verborgenſten Details ſeines Charakters ein

und in den ſchwerſten Szenen, bewegte er ſich am leichteſten. Die

Stelle mit Dahlberg woher zum Secundanten gefordert wird, war
ungemein ergötzlich dargeſtellt und wirkte, was ſie ſollte. Herr Zahrt
— Obriſt Thomar, war ziemlich brav. Herr Thym verſtand es nicht,
Intereſſe in den vertrakten Charakter des Dahlberg zu legen und
ließ ſehr kalt. Selbſt in der Duellſzene mangelte alles Studium.
Herr Hahnſtein, als Lohnau, ganz vortrefflich. Herr Grahn eignet
ſich gar nicht für die Rolle des Gleichen, die unſtreitig ſchwer iſt und
mehr als einen Anfänger verlangt. Doch gelang die Duellſdene
leidlich und ward nicht lächerlich. Herr Neukäufler als Andres war
recht gut.
Den 29. „Othello.“ In 3 Akten von Roſſini.
Die Vorſtellung war gelungen. Die Ouvertüre wurde mit Geſchmack
vorgetragen. Die Herrn Blasinſtrumentiſten zeichneten ſich durch
ſchönen Vortrag aus, ſo wie denn in der ganzen Oper/ Obve/ Flöte,

Clarinette, Fagott und Horn theilweiſe obligat ſind. Das im höchſten

Pianiſſimo zum zweitenmale eintretende Thema des Allegro's der
Ouvertüre wurde mit bewundernswerther Reinheit vorgetragen, hin-
gehaucht könnte man ſagen — und machte großen Effekt. Bei einer
Perſonal⸗Beſetzung wie hier, gefällt Othello gewiß überall, obgleich
die 2erſten Akte ganz in dem Roſſiniſchen, ohrkitzelnden Geſchmacke
geſchrieben, und auch an manchen Orten durchgefallen ſind. Der dritte
Akt macht, wie bekannt, hiervon eine rühmliche Ausnahme. —
Mad. Krüger: Desdemona, war wie immer vorzüglich; es iſt das
größte Lob, wenn man wegen zu vielem Schönen nicht loben kann.
Das Publikum ſchien heute im Anfang ihren Geſang nicht in dem
Graͤde, in dem man ihn aufzunehmen gewohnt iſt, anzuerkennen,
obgleich Mad. K. gewiß nicht unterließ, alle Anmuth ihres Geſangs
aufzubieten. Im dritten Akte ſchmolz die Eisrinde gänzlich und der
Beifall war glänzend. Herrlich trug ſie die Romanze und das Gebet
vor die denn auch wunderſchön componirt ſind. Othello iſt eine
Hauptparthie des Herrn Wild. Spiel und Geſang waren vortrefflich.
Die Arie des erſten Akts und das große Recitativ im dritten können
nicht ſchöͤner vorgetragen werden. Außerdem waren auch die Duette
und ſämmtliche Enſembleſtücke brav executirt. Dem. Madler war als
Emilie an die Stelle der Mad. Hölken getreten und auch daͤdurch
mußte die Oper beträchtlich gewinnen. Dem. Madler verdient mit
Recht alles Lob und Aufmunterung, das Duett mit Desdemona war
über alles Lob erhaben und riß unwiderſtehlich hin. Mit twas
deutlicherer Ausſprache ungebundnerem. Sviele und regem Fleiße
würde die junge Künſtlerin bald voltendet ſeyn. — Auch Herr Hähnle:
Rodrigo, verdient alles Lob; die außerordentliche Höhe ſeiner ſchönen
Stimme läßt ihn die Arie im zweiten Akte geſchmackvoll und angenehm
vortragen. Ein beherrſchtes und minder affektirtes Spiel würde ihn dem
Publikum um vieles beliebter machen. Herr Delcher: Brabantio / ſang
ſehr ſchoͤn, und wielte ſehr ſteif. Herr Neukäufler: Jago, war leidlich.
Wenn ſeine Stimme auch nicht mehr das Friſche und das Metall hat, wie
früher, ſo weiß er doch durch richtige Deklamation die Schwäche ſeines
Geſangs geſchickt zu verbergen. Dekorationen und Coſtüme ſind pracht-
voll und machten die Darſtellung noch gländender. (Jortſ. folgt.]

Verleger: Karl Gross, Neue akademiſche Buchhandlung in Heidelberg.— i.t
‚ — 8 A.

— Drückerei von F. Kaufmann ſeel. Witwe.
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