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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823

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No 26-39 (März 1823)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0135

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nro. 28. Mittwoch den 5. Maͤrz 1823.

Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.

Die kranke Mutter und das blinde Kind.

Für meine Enkel.

Es war einmal ein Kind,
Vom erſten Tag' an blind,

Doch immer gut und fromm
Und überall willkomm.

Da ward die Mutter krank,

Der es ſo vielen Dank
Seit Jahren ſchuldig war.
Die drohende Gefaͤhr
Fiel unſerm Mägdlein ſchwer:
Es klagt“ und weinte ſehr,
Und betete mit Macht

Bei Tag' und auch bei Nacht?

„Gott! Laß mein Mütterlein
Doch bald geneſen ſeyn!“ —

Da trat ein Mann herein

Mit langem weiſſem Bart;

Der ſprach zum Mägdlein zart:

„Gib Deine Wahl mir kund!

Willſt Du gleich ſehend ſeyn?

Willſt Mütterlein geſunde

Doch Eins geſchieht allein. “

Da rief das gute Kind,

— Das ſich nicht lang beſinnt:

ch bleibe gern ſo blind,
Heilſt Du die Mutter mir.
O hilf nur Ihr, nur Ihr!“ —

Gelind berührt's der Mannz
Da fängt's zu ſehen an,
Und ſieht der Sonne Schein,
Den Greis, den blanken Schrein,
Ach, und ſein Mütterlein,
So leidend und ſo bleich.
„Nein! ruft es alſogleich,
Ich will nicht ſebend ſeyn!
Die Mutter heile mir!“ —
So gehe hin zu Ihr,
Und gib Ihr einen Kuß,
Von dem gelob' ich Dir,
Sie ganz geneſen muß.
Das Mägdlein eilt und küßt,
Und ſeine Mutter iſt
Im gleichen Augendlick

Geneſen. Welch ein Glück!

„Nimm, lieber Mann, dafür
(Denn ach! kein Geld iſt hier)
Den Handkuß an von mir!“
Sie nimmt des Arztes Hand;
Jedoch, ſtatt ſeiner, ſtand
Ein ſchöner Engel da

In Himmelsgloria,
Und ſprach mit Freundlichkeit:

„So lohnet Gott ein Kind,
Iſt's dankbarlich geſinnt.
Im Schrank iſt Gold bereit,
Daß Deine Mutter ſich
 
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