Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0490
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No 92-104 (August 1823)
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- Einband
- Titelblatt
- [Inhalt]
-
No 1-13 (Januar 1823)
-
No 14-25 (Februar 1823)
-
No 26-39 (März 1823)
-
No 1 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 40-52 (April 1823)
-
No 53-65 (Mai 1823)
-
No 66-78 (Juni 1823)
-
No 2 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 79-91 (Juli 1823)
-
No 92-104 (August 1823)
-
No 105-117 (September 1823)
-
No 3 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 118-130 (Oktober 1823)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
-
No 4 Intelligenzblatt zur Charis
- Inhalt
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
WN
* —
Rheiniſche
Morgenzeitung fuͤr ge
bildete Le ſer.
Nro. 101. Sonnabend
den 23. Auguſt 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Des Königs Feſt.
Im Saal' des König's iſt Gelag
Gar wunderreicher Art:
Sie feiern heut' den hohen Tag,
Da er geboren ward.
In gold'nen Bechern kreiſt der W
Im Wirbel ſchallt Muſik darein; ö
Und: „Heil dem König!“ geht die Weiſ'
Umher nun laut im Zecherkreis: —
Der Köͤnig macht ein froh Geſicht,
ö Im Herzen aber freut's ihn nicht.
Das Feſt verſtummt, die Sterne ſteh'n
Am Himmel hell und rein; ö‚
Da will der König ſich ergehn —
In ſtiller Luſt, allein. —.
Der Koͤnig geht, — es gehet vorn'
Ein Mann von altem Schrot und Korn: —
Der brummt, ſo recht nach bied'rer Art.
Sein: „Heil dem König!“ in den Bart;
Der Koͤnig hort's, das macht ihn froh. —
Er war's im Herzen lang' nicht ſo:
ö Johann Gabriel Seidl.
Kur.
(Cortſetz unn g.
Mit jener ſtillen Freudigkeit, die ein inniger Glaube, und
zjene feſte Zuverſicht, daß ein liebender Vater uber den Ster-
ein,
ihrem Hauſe. —
nen waltet, erzeugt, — reichte Betty dem edlen Freunde
beim Abſchied die Hand. — Die Baronin ſchien ſich ſchwe-
rer von ihrem liebenswürdigen Gaſte trennen zu koͤnnen,
ſie hatte ſich faſt unbewußt an ſeinen Rath, ſeinen Umgang
gewoͤhnt, und war durch die Anhaͤnglichkeit, welche er ihr
waͤhrend ſeines Aufenthalts bewieſen, wie durch den Ernſt
ſeines Charakters einigermaßen mit dem Stande ausgeſoͤhnt
worden, gegen den ſie ſo viele Vorurtheileé gehegt hatte. —
Sie ſegnete ihn mit mütterlicher Innigkeit, und verhieß
ihm zur Zeit der Ruckkehr die freundlichſte Aufnahme in
Reinhold ſchied, eine innige Wehmuth ſchien auf einige
Augenblicke die ſichre Faſſung ſeines Gemüths zu verdraͤn⸗
gen. Er preßte mit ſtummer Trauer die Haͤnde beider
theuren Frauen ans Herz, und ſchwang ſich dann ſchnell
aufs Roß, ſeinem verhuͤllten Schickſal entgegen eilend. —
Ernſte, duͤſtre Tage zogen ſeitdem uͤber das einſame Fried-
heim dahin. Wohl verſuchte die Baronin bisweilen eine
Bluͤte aus dem Herbarium der letzten, reichen Vergangen-
heit hervorzulangen, doch dienten dieſe' Erinnerungen nur
dazu, die Oede der Gegenwart noch bemerkbarer zu ma-
chen. Bald aber begann die Kunde der damaligen Zeit-
ereigniſſe, Geiſt und Einbildungskraft aufs Neue zu be-
— ſchaͤftigen; man las. die Zeitungen, und ergriff mit hohem
Intereſſe jede oͤfentliche Nachricht der Art. Betty, welche
ſich bisher wenig um die Welthaͤndel bekummert hatte, ver-
ließ Blumen, Voͤgel und Alles, was ſonſt ihr am Herzen
ö gelegen; — wenn es galt, ein politiſches Blatt zu erhaſchen.
* —
Rheiniſche
Morgenzeitung fuͤr ge
bildete Le ſer.
Nro. 101. Sonnabend
den 23. Auguſt 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Des Königs Feſt.
Im Saal' des König's iſt Gelag
Gar wunderreicher Art:
Sie feiern heut' den hohen Tag,
Da er geboren ward.
In gold'nen Bechern kreiſt der W
Im Wirbel ſchallt Muſik darein; ö
Und: „Heil dem König!“ geht die Weiſ'
Umher nun laut im Zecherkreis: —
Der Köͤnig macht ein froh Geſicht,
ö Im Herzen aber freut's ihn nicht.
Das Feſt verſtummt, die Sterne ſteh'n
Am Himmel hell und rein; ö‚
Da will der König ſich ergehn —
In ſtiller Luſt, allein. —.
Der Koͤnig geht, — es gehet vorn'
Ein Mann von altem Schrot und Korn: —
Der brummt, ſo recht nach bied'rer Art.
Sein: „Heil dem König!“ in den Bart;
Der Koͤnig hort's, das macht ihn froh. —
Er war's im Herzen lang' nicht ſo:
ö Johann Gabriel Seidl.
Kur.
(Cortſetz unn g.
Mit jener ſtillen Freudigkeit, die ein inniger Glaube, und
zjene feſte Zuverſicht, daß ein liebender Vater uber den Ster-
ein,
ihrem Hauſe. —
nen waltet, erzeugt, — reichte Betty dem edlen Freunde
beim Abſchied die Hand. — Die Baronin ſchien ſich ſchwe-
rer von ihrem liebenswürdigen Gaſte trennen zu koͤnnen,
ſie hatte ſich faſt unbewußt an ſeinen Rath, ſeinen Umgang
gewoͤhnt, und war durch die Anhaͤnglichkeit, welche er ihr
waͤhrend ſeines Aufenthalts bewieſen, wie durch den Ernſt
ſeines Charakters einigermaßen mit dem Stande ausgeſoͤhnt
worden, gegen den ſie ſo viele Vorurtheileé gehegt hatte. —
Sie ſegnete ihn mit mütterlicher Innigkeit, und verhieß
ihm zur Zeit der Ruckkehr die freundlichſte Aufnahme in
Reinhold ſchied, eine innige Wehmuth ſchien auf einige
Augenblicke die ſichre Faſſung ſeines Gemüths zu verdraͤn⸗
gen. Er preßte mit ſtummer Trauer die Haͤnde beider
theuren Frauen ans Herz, und ſchwang ſich dann ſchnell
aufs Roß, ſeinem verhuͤllten Schickſal entgegen eilend. —
Ernſte, duͤſtre Tage zogen ſeitdem uͤber das einſame Fried-
heim dahin. Wohl verſuchte die Baronin bisweilen eine
Bluͤte aus dem Herbarium der letzten, reichen Vergangen-
heit hervorzulangen, doch dienten dieſe' Erinnerungen nur
dazu, die Oede der Gegenwart noch bemerkbarer zu ma-
chen. Bald aber begann die Kunde der damaligen Zeit-
ereigniſſe, Geiſt und Einbildungskraft aufs Neue zu be-
— ſchaͤftigen; man las. die Zeitungen, und ergriff mit hohem
Intereſſe jede oͤfentliche Nachricht der Art. Betty, welche
ſich bisher wenig um die Welthaͤndel bekummert hatte, ver-
ließ Blumen, Voͤgel und Alles, was ſonſt ihr am Herzen
ö gelegen; — wenn es galt, ein politiſches Blatt zu erhaſchen.