DOI Kapitel:
No 79-91 (Juli 1823)
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0385
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro 79. Mittwoch den 2. Juli 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Sehnſucht un d Erfüllung.
Temiſtocles, der Leuctra⸗Held,
Camillus und die Scipionen
An Tugend reich und Siegeskronen,
Sie ſchmückten einſt des Knaben Welt,
Und fuhrten in Triumphes⸗Traͤumen
Hinauf ihn zet den ſel'gen Raͤumen
Wo der Alcide ewig thront,
Unſterdlichkeit die Thaten lohnt. —
Ein Stückchen Blei zertrummerte ein Bein;
Dahin war meiner Traͤume kühnes Sehnen,
Vergebens floſſen tauſend gluh'nde Thraͤnen —
Man ſperrte mich in eine Schule ein!
Homeros Saitenſpiel erklang,
Und Pindars Siegbekräͤnzte Lieder
Erhoben meine Seele wieder
Zu neuer Sehnſucht höherm Drang.
Auf der Geſaͤnge Götterſchwingen
Wollt' ich hinab zur Nachwelt bringen
Was auf des Ruhmes ſchoͤner Bahn
Ein Held des Vaterland's gethan. —
Verſchwunden war der Freiheit Morgentraum,
In allen alten, neuentdeckten Welten
Fand ich nur Thaten, ach! und nirgends Helden,
Und nirgends fuͤr den kuͤhnen Epos Raum!
Philoſophie bot mir die Hand;
Von Platos ſel'gen Republicken,
Floh ich mit jenes Zweiflers Blicken
Herüber zu dem teutſchen Kant.
Ich wollte das Syſtem erdenken
Vernünftig alle Welt zu lenken,
Verbannen durch des Geiſtes Kraft
Die Schwachheit ird'ſcher Leidenſchaft. —
Ich fand nur: daß die Denker uneins ſind,
Und daß die Welt ſich niemals wird bequemem
Zu folgen dieſen ſchwankenden Syſtemen:
Und daß der Menſch — nur ein verdorben Kind!
Ich wollt' die Gegenwart erſchau'n,
Der Voͤlker mannigfaches Treiben
Mit Wahrheit lehrreich dann beſchreiben,
Ein Denkmal meinem Daſeyn bau'n.
Ja! in der Erde Paradieſen
Wollt' ich des Himmels Glück genieſſen,
Des Menſchengluͤckes Zeuge ſeyn,
Der Menſchen⸗Gottheit mich erfreu'n. —
Mit herben Thraͤnen truͤbte ſich mein Blick;
Ich ſah, daß nur verlarvt — in allen Zonen
Hier Kannibalen oder Lappen wohnen;
Daß Traum nur — Wiſſen, Bildung, Schöͤnheit, Glück!
Nun floh ich aller Menſchen. Spur.
Der Einſamkeit klagt' ich mein Sehnen,
Nro 79. Mittwoch den 2. Juli 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Sehnſucht un d Erfüllung.
Temiſtocles, der Leuctra⸗Held,
Camillus und die Scipionen
An Tugend reich und Siegeskronen,
Sie ſchmückten einſt des Knaben Welt,
Und fuhrten in Triumphes⸗Traͤumen
Hinauf ihn zet den ſel'gen Raͤumen
Wo der Alcide ewig thront,
Unſterdlichkeit die Thaten lohnt. —
Ein Stückchen Blei zertrummerte ein Bein;
Dahin war meiner Traͤume kühnes Sehnen,
Vergebens floſſen tauſend gluh'nde Thraͤnen —
Man ſperrte mich in eine Schule ein!
Homeros Saitenſpiel erklang,
Und Pindars Siegbekräͤnzte Lieder
Erhoben meine Seele wieder
Zu neuer Sehnſucht höherm Drang.
Auf der Geſaͤnge Götterſchwingen
Wollt' ich hinab zur Nachwelt bringen
Was auf des Ruhmes ſchoͤner Bahn
Ein Held des Vaterland's gethan. —
Verſchwunden war der Freiheit Morgentraum,
In allen alten, neuentdeckten Welten
Fand ich nur Thaten, ach! und nirgends Helden,
Und nirgends fuͤr den kuͤhnen Epos Raum!
Philoſophie bot mir die Hand;
Von Platos ſel'gen Republicken,
Floh ich mit jenes Zweiflers Blicken
Herüber zu dem teutſchen Kant.
Ich wollte das Syſtem erdenken
Vernünftig alle Welt zu lenken,
Verbannen durch des Geiſtes Kraft
Die Schwachheit ird'ſcher Leidenſchaft. —
Ich fand nur: daß die Denker uneins ſind,
Und daß die Welt ſich niemals wird bequemem
Zu folgen dieſen ſchwankenden Syſtemen:
Und daß der Menſch — nur ein verdorben Kind!
Ich wollt' die Gegenwart erſchau'n,
Der Voͤlker mannigfaches Treiben
Mit Wahrheit lehrreich dann beſchreiben,
Ein Denkmal meinem Daſeyn bau'n.
Ja! in der Erde Paradieſen
Wollt' ich des Himmels Glück genieſſen,
Des Menſchengluͤckes Zeuge ſeyn,
Der Menſchen⸗Gottheit mich erfreu'n. —
Mit herben Thraͤnen truͤbte ſich mein Blick;
Ich ſah, daß nur verlarvt — in allen Zonen
Hier Kannibalen oder Lappen wohnen;
Daß Traum nur — Wiſſen, Bildung, Schöͤnheit, Glück!
Nun floh ich aller Menſchen. Spur.
Der Einſamkeit klagt' ich mein Sehnen,