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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823

DOI chapter:
No 79-91 (Juli 1823)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0442

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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nro. 91. Mittwoch den 30. Juli 1823.

Verantwortlicher Redakteur und Heraus geber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.

Oithona.
(Nach Oſſian) von Karl Geib.

Dort, wo mit Gal Sithona ſchlummert,
wird Ruhe finden mein Herz.

J. Orientalis.

Dunkel herrſcht auf Dunlathmons Flur,
Halb blickt der Mond durch Wolken nur
Auf ſteile Hoͤh'n; die Augen wendet
Weg die ſtrahlende Tochter der Nacht:
Sie ſchaut des Grames finſt're Macht,
Von ſchwarzer Wolke hergeſendet;
Und ach! der düſt're Kummer faäͤllt
Auf Morni's Sohn; er ſchweift im Feld,
Kein Laut ertönt in ſeine Hallen, ö
Kein Lichtſchein will das Grau'n durchwallen/
Und wo Dubranna's Strom durch Felſen bricht,
Schallt ihm Oithona's holde Stimme nicht.
ö „Wohin, o Schoͤne, mochteſt du eilen,.
Nuath's Tochter mit dunklem Haar?
ö Lathmon iſt in der Tapfern Schaar;
Du wollteſt ja noch in der Halle verweilen,
Bis ich von Struthmon wiedergekehrt
Aur Jungfrau, die liebend mein Herz begehrt,
Du ſchiedſt von mir mit warmer Thraͤne,
Dein Buſen hob ſich leiſ' und bang;
Jezt ſchweigen Deine Harfentöͤne,
Hervor nicht trittſt du mit Geſang!“ —

So ſagte Gal in ſeinem Gram,
Als er zur Burg Dunlathmons kam.
Die Pforte war offen, ein Wind durchſauste
Die Hallen, Blaͤtter ſtreuten umher
Die Bäum,, und Nachtgetümmel brauste;
Verſenkt in Trauer, das Herz ſo ſchwer,

Saß Morni's Sohn an der Felſenhoͤle,

Denn um Oithona bebt des Helden Seele.
Auch Leith's Erzeugter ſtand ihm nah';
Er horcht dem Winde, der ſein Haar durchwehet,
Jedoch aus ſeinem Munde gehet
Kein Laut, als er des Freundes Kummer fah.

Auf die Führer ſank des Schlafs Gewalt,
Und Traumgeſichte nahten bald.
Oithona umſchwebt, die holde Schoͤne,
Die Blicke Gal's in tiefem Harm,
Verworr'nen Haars, im Aug' die Thraͤne,
Mit Blut betrieft den Lilienarm.
Sie neigt ſich uͤber Morni's Sohn,
Der, von des Buſens Wund' erſchrecket,
Die halb nur ihr Gewand bedecket,
Vernimmt den leiſen Klageton:
„Du ſchlaͤfſt, Geliebter, am fernen Strande,
Und Nuath's Tochter wird vergeh'n!
Wo flutet das Meer zum einſamen Lande,
Umrauſchend Tromthon's duͤſt're Höh'n,
Hier ſitz' ich weinend in der Hoͤle,
Doch ach! ich ſitze nicht allein;
 
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