Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0541
DOI Kapitel:
No 105-117 (September 1823)
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- Einband
- Titelblatt
- [Inhalt]
-
No 1-13 (Januar 1823)
-
No 14-25 (Februar 1823)
-
No 26-39 (März 1823)
-
No 1 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 40-52 (April 1823)
-
No 53-65 (Mai 1823)
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No 66-78 (Juni 1823)
-
No 2 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 79-91 (Juli 1823)
-
No 92-104 (August 1823)
-
No 105-117 (September 1823)
-
No 3 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 118-130 (Oktober 1823)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
-
No 4 Intelligenzblatt zur Charis
- Inhalt
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
V N —
.
07%
7
Nro. 14114. Montag den 15. September 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Die Sehnſſuch t..
Nach dem Engliſchen des Owen.
Ein unnennbares Sehnen,
Erfüllt mein krankes Herz.
Mein Auge ſchwimmt in Thraͤnen,
Und blicket Himmelwaͤrts.
Sind etwa ſanfte Triebe
In meiner Bruſt erwacht?
O nein, ich flieh' die Liebe,
Die mir kein Heil gebracht.
Moͤcht' einen Freund ich finden,
Zum Troſte mir? O nein,
Er wuͤrde bald verſchwinden,
Erblich mein Sonnenſchein.
Iſt's Gold, ſind's hohe Würden,
Wornach ich lüſtern bin?
O nein, denn dieſe Bürden,
Traͤgt wohl kein freier Sinn.
Wohin geht denn mein Streben?
Ich frage nicht nach Gold,‚
Kein Glück kann Freundſchaft geben,
Mich reitzt nicht Minneſold!
O nun kenn' ich mein Sehnen,
Den Frieden ſucht mein Herz;
Drum ſchwimmt mein Aug' in Thraͤnen,
Und blicket Himmelwaͤrts.
Reginald.
Adelbert.
Hiſtoriſche Novelle aus den Zeiten des teut-
ſchen Bauernkriegs.
Von Alpin.
I. ö
Es war in der ſtuͤrmiſchen Nacht eines der erſten Tage im
April 1525 als Adelbert, ſeiner Straße unkundig und kaum
geſchutzt durch den ſorgſam umgehuüllten Mantel, auf ſei-
nem flüchtigen Rappen der Heerſtraße gen Ulm zuritt.
Sturm und Regen tobten unaufhoͤrlich um die Wette und
der bisher gut gebahnte Weg war durch die zu beiden Sei-
ten von den unbewachſenen Anhoͤhen herabſtröͤmenden Ge-
wäſſer zerriſſen und gefaͤhrlich. Das Roß, weniger an be-
ſchwerliche und grundloſe Gegenden gewöhnt, ſtuzte biswei-
len, fand aber dennoch ſich in dem immer mehr wachſenden
Dunkel zurecht. Adelbert ſchien ſich nicht ſowohl um den
Sturm und ſich ſelbſt, als um ſein gut genahrtes Roß zu
kümmern, wie auch ein ächter Reitersmann thut, ſang aber
dabei fortan einige Weiſen von Minneliedern oder einen
alten Schlachtruf vor ſich hin — indem er berechnete, wann
er bei ſolch laſem Ritte Ulm erreichen koͤnne, was das
Ziel ſeiner Reiſe war. Den letzten Wegſtrecken nach, die
er freilich oft gezwungen mit großen Umwegen zurücklegte,
mußte er der Stadt ſo nah ſeyn, daß es moͤglich war, ſie
des folgenden Tags ohne große Beſchwerde zu erreichen.
Der Rappe ſchritt nach einiger Zeit bedaͤchtiger und
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Nro. 14114. Montag den 15. September 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Die Sehnſſuch t..
Nach dem Engliſchen des Owen.
Ein unnennbares Sehnen,
Erfüllt mein krankes Herz.
Mein Auge ſchwimmt in Thraͤnen,
Und blicket Himmelwaͤrts.
Sind etwa ſanfte Triebe
In meiner Bruſt erwacht?
O nein, ich flieh' die Liebe,
Die mir kein Heil gebracht.
Moͤcht' einen Freund ich finden,
Zum Troſte mir? O nein,
Er wuͤrde bald verſchwinden,
Erblich mein Sonnenſchein.
Iſt's Gold, ſind's hohe Würden,
Wornach ich lüſtern bin?
O nein, denn dieſe Bürden,
Traͤgt wohl kein freier Sinn.
Wohin geht denn mein Streben?
Ich frage nicht nach Gold,‚
Kein Glück kann Freundſchaft geben,
Mich reitzt nicht Minneſold!
O nun kenn' ich mein Sehnen,
Den Frieden ſucht mein Herz;
Drum ſchwimmt mein Aug' in Thraͤnen,
Und blicket Himmelwaͤrts.
Reginald.
Adelbert.
Hiſtoriſche Novelle aus den Zeiten des teut-
ſchen Bauernkriegs.
Von Alpin.
I. ö
Es war in der ſtuͤrmiſchen Nacht eines der erſten Tage im
April 1525 als Adelbert, ſeiner Straße unkundig und kaum
geſchutzt durch den ſorgſam umgehuüllten Mantel, auf ſei-
nem flüchtigen Rappen der Heerſtraße gen Ulm zuritt.
Sturm und Regen tobten unaufhoͤrlich um die Wette und
der bisher gut gebahnte Weg war durch die zu beiden Sei-
ten von den unbewachſenen Anhoͤhen herabſtröͤmenden Ge-
wäſſer zerriſſen und gefaͤhrlich. Das Roß, weniger an be-
ſchwerliche und grundloſe Gegenden gewöhnt, ſtuzte biswei-
len, fand aber dennoch ſich in dem immer mehr wachſenden
Dunkel zurecht. Adelbert ſchien ſich nicht ſowohl um den
Sturm und ſich ſelbſt, als um ſein gut genahrtes Roß zu
kümmern, wie auch ein ächter Reitersmann thut, ſang aber
dabei fortan einige Weiſen von Minneliedern oder einen
alten Schlachtruf vor ſich hin — indem er berechnete, wann
er bei ſolch laſem Ritte Ulm erreichen koͤnne, was das
Ziel ſeiner Reiſe war. Den letzten Wegſtrecken nach, die
er freilich oft gezwungen mit großen Umwegen zurücklegte,
mußte er der Stadt ſo nah ſeyn, daß es moͤglich war, ſie
des folgenden Tags ohne große Beſchwerde zu erreichen.
Der Rappe ſchritt nach einiger Zeit bedaͤchtiger und