Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0545
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No 105-117 (September 1823)
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- Einband
- Titelblatt
- [Inhalt]
-
No 1-13 (Januar 1823)
-
No 14-25 (Februar 1823)
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No 26-39 (März 1823)
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No 1 Intelligenzblatt zur Charis
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No 40-52 (April 1823)
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No 53-65 (Mai 1823)
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No 66-78 (Juni 1823)
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No 2 Intelligenzblatt zur Charis
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No 79-91 (Juli 1823)
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No 92-104 (August 1823)
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No 105-117 (September 1823)
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No 3 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 118-130 (Oktober 1823)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
-
No 4 Intelligenzblatt zur Charis
- Inhalt
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro. 112. Mittwoch den 177. September 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
1. Das junge Weib an ſeinen Gatten.
Zerſpalte die Orange,
Gib eine Haͤlfte mir:
Mit Sehnen wünſcht ſie Jemand,
Er gleichet wahrlich dir!
Drei Monde ſind vergangen,
Bis mein Palmedi kam;
Von neuem wallt ſein Segel,
Unhaltbar meinem Gram!
Dort taucht aus blauen Wogen
Ein fernes Eiland auf:
Warum, o Falſcher, lenkſt du
Nach Chios deinen Lauf?
Du ſchwelgſt in andern Armen,
Soll Angely auf ewig
Von dir vergeſſen ſeyn?
Und doch trat meine Sohle
Raſch durch des Siebes Rand,
Doch loste meinen Gürtel
Bevor nie Mannes Hand.
Doch iſt an Zeit und Stunde ö
Der Frauen Loos geknuͤpft,
Trinkſt fremder Trauben Wein:
Griechiſche Lieder.
Die, fluͤchtig wie die Welle
Fort und vorüber hüpft.
Wir pflegen eure Liebe,
Wir naͤhren eure Luſt —
Und biſt du fern, ſo lebet
Dein Bild in meiner Bruſt!
2. Der Knabe.
Vater zog zum Streite,
Mutter ſchlaͤrt im Grab:
Bruder fiel verraͤthriſch
Zu den Feinden ab —
Hoͤrt' ich all das Wimmern,
Wuchs mein Herz in Qual:
Schliff auf Tempels Trümmern
Blank den alten Stahl! —
ö 3. Der Schiffer.
Rollt immerhin ihr Wogen,
Kommt ihr doch hergezogen
Vom freien Heimathsſtrand,
Tragt- ihr Winde
Sanft und linde
Sie zum blauen Inſelland!
Bringt meinen Gruß den Lieben:
Treu iſt mein Herz geblieben,
Auch unter Feinden dort;
Denn ihr Lallen
ußte ſchallen
Auf zu Gott, dem hoͤchſten Hort!
Der Halbmond iſt geſunken,
Wir ſteuern Siegestrunken
Der neuen Heimath zu.
Bald entfliehen
Gram und Muͤhen
Denn der Frieden bringet Ruh!
Du biſt mein Volk erſtanden
Aus Kerkers Schmach und Banden
Der Freiheit neu vereint.
Deine Sonne
Jezt mit Wonne
Dem verjüngten Tage ſcheint!
Des Vaters Freudenzaͤhren
Sie werden ewig waͤhren,
O ſchmuͤckt der Mutter Grab —
Auf, ihr Winde
Sanft und linde
Tragt zur Heimath mich hinab
A. Nodnagel.
Nro. 112. Mittwoch den 177. September 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
1. Das junge Weib an ſeinen Gatten.
Zerſpalte die Orange,
Gib eine Haͤlfte mir:
Mit Sehnen wünſcht ſie Jemand,
Er gleichet wahrlich dir!
Drei Monde ſind vergangen,
Bis mein Palmedi kam;
Von neuem wallt ſein Segel,
Unhaltbar meinem Gram!
Dort taucht aus blauen Wogen
Ein fernes Eiland auf:
Warum, o Falſcher, lenkſt du
Nach Chios deinen Lauf?
Du ſchwelgſt in andern Armen,
Soll Angely auf ewig
Von dir vergeſſen ſeyn?
Und doch trat meine Sohle
Raſch durch des Siebes Rand,
Doch loste meinen Gürtel
Bevor nie Mannes Hand.
Doch iſt an Zeit und Stunde ö
Der Frauen Loos geknuͤpft,
Trinkſt fremder Trauben Wein:
Griechiſche Lieder.
Die, fluͤchtig wie die Welle
Fort und vorüber hüpft.
Wir pflegen eure Liebe,
Wir naͤhren eure Luſt —
Und biſt du fern, ſo lebet
Dein Bild in meiner Bruſt!
2. Der Knabe.
Vater zog zum Streite,
Mutter ſchlaͤrt im Grab:
Bruder fiel verraͤthriſch
Zu den Feinden ab —
Hoͤrt' ich all das Wimmern,
Wuchs mein Herz in Qual:
Schliff auf Tempels Trümmern
Blank den alten Stahl! —
ö 3. Der Schiffer.
Rollt immerhin ihr Wogen,
Kommt ihr doch hergezogen
Vom freien Heimathsſtrand,
Tragt- ihr Winde
Sanft und linde
Sie zum blauen Inſelland!
Bringt meinen Gruß den Lieben:
Treu iſt mein Herz geblieben,
Auch unter Feinden dort;
Denn ihr Lallen
ußte ſchallen
Auf zu Gott, dem hoͤchſten Hort!
Der Halbmond iſt geſunken,
Wir ſteuern Siegestrunken
Der neuen Heimath zu.
Bald entfliehen
Gram und Muͤhen
Denn der Frieden bringet Ruh!
Du biſt mein Volk erſtanden
Aus Kerkers Schmach und Banden
Der Freiheit neu vereint.
Deine Sonne
Jezt mit Wonne
Dem verjüngten Tage ſcheint!
Des Vaters Freudenzaͤhren
Sie werden ewig waͤhren,
O ſchmuͤckt der Mutter Grab —
Auf, ihr Winde
Sanft und linde
Tragt zur Heimath mich hinab
A. Nodnagel.