Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823
Cite this page
Please cite this page by using the following URL/DOI:
https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0173
DOI chapter:
No 26-39 (März 1823)
DOI Page / Citation link:https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0173
- Einband
- Titelblatt
- [Inhalt]
-
No 1-13 (Januar 1823)
-
No 14-25 (Februar 1823)
-
No 26-39 (März 1823)
-
No 1 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 40-52 (April 1823)
-
No 53-65 (Mai 1823)
-
No 66-78 (Juni 1823)
-
No 2 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 79-91 (Juli 1823)
-
No 92-104 (August 1823)
-
No 105-117 (September 1823)
-
No 3 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 118-130 (Oktober 1823)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
-
No 4 Intelligenzblatt zur Charis
- Inhalt
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro. 36. Montag den 24. Maͤrz 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Die Todes ſt un de
Mitten in den oden Gebirgen, welche das Koͤnig-
reich Valenzia von den Ebenen Neukaſtiliens ſchei-
den, erhebt ſich das Kloſter Cienfuegos. Von ih-
rem Heerde durch den Invaſionskrieg vertrieben,
hatten die Moͤnche ihre friedlichen Zellen verlaſſen,
in den verddeten Gaͤngen des Kloſters ſauſte der
Zugwind, Gras der Felder wuchs in der Kirche,
deren Altar ſeiner ehrwuͤrdigen Verzierungen be-
raubt war, und in der weiten Ruine des heiligen
Ortes war nur ein Chriſtus von ſchwarzem Mar-
mor, allein aufrecht ſtehen geblieben.
Das Huſarenregiment, in welchem Brenno diente,
ö kampirte in der Naͤhe des Kloſters; der junge Of-
fizier etablirte ſeinen Bivouak in den zerſtorten
Vorhallen der Kirche.
Es war Nacht: am dunkeln Blau des Himmels
glitzerten einzelne Sterne, wie Goldflitter auf dem
ſchwarzen Gewande einer Wittwe von Sevilla, der
Mond ſchlich langſam uͤber das weite Gewoͤlbe und
zeigte ſeine blaßleuchtende Haͤlfte, aͤhnlich der Si-
chel des Schnitters oder dem gekruͤmmten Bogen
— des Schuͤtzen. — Brenno, hingeſtreckt neben dem
halberloſchenden Wachtfeuer, hatte ſich in ſeinen
weiten Mantel gehuͤllt, ſein Haupt ruhte auf dem
Sattel ſeines fluͤchtigen Roſſes, und ſchon war der
Larm der Krieger um ihn her verſtummt, — nur
das heiſere Gezirpe der Feldgrille ließ ſich noch hoͤ⸗
ren, das Geſtampfe der an Pfaͤhlen befeſtigten
Pferde, und in langen Zwiſchenraͤumen, der Nacht-
ruf der wachſamen Vedetten! —
Langſam wich eine Stunde der andern; Brenno
verlor ſich in Gedanken, er dachte an ſeine Ge-
liebte, ſeine ſanfte Emilie mit dem holden Laͤcheln,
dem blauen Auge voll Guͤte, und dem ſuͤßen Laute
verſtäͤndiger Worte! Schoͤne Bilder der Vergan-
genheit, Träͤume der Zukunft umgaukelten ihn, und
ſo hatte ihn der Schlaf uͤberraſcht, als der Wind
voͤn der Meereskuſte her, regenſchwere Wolken her-
beitrieb, und der Sturm uͤber die Felder ſauſte.
Brenno erhob ſich und ſuchte in der Kirche, deren
Thuͤren halb offen ſtanden, Schutz gegen den in
Stromen herabfallenden Regen. — Die Kirche war
dunkel und feucht; leuchtende Blitze, welche durch
die bunigemalten Fenſterſcheiben drangen,‚ erhell-
Nro. 36. Montag den 24. Maͤrz 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Die Todes ſt un de
Mitten in den oden Gebirgen, welche das Koͤnig-
reich Valenzia von den Ebenen Neukaſtiliens ſchei-
den, erhebt ſich das Kloſter Cienfuegos. Von ih-
rem Heerde durch den Invaſionskrieg vertrieben,
hatten die Moͤnche ihre friedlichen Zellen verlaſſen,
in den verddeten Gaͤngen des Kloſters ſauſte der
Zugwind, Gras der Felder wuchs in der Kirche,
deren Altar ſeiner ehrwuͤrdigen Verzierungen be-
raubt war, und in der weiten Ruine des heiligen
Ortes war nur ein Chriſtus von ſchwarzem Mar-
mor, allein aufrecht ſtehen geblieben.
Das Huſarenregiment, in welchem Brenno diente,
ö kampirte in der Naͤhe des Kloſters; der junge Of-
fizier etablirte ſeinen Bivouak in den zerſtorten
Vorhallen der Kirche.
Es war Nacht: am dunkeln Blau des Himmels
glitzerten einzelne Sterne, wie Goldflitter auf dem
ſchwarzen Gewande einer Wittwe von Sevilla, der
Mond ſchlich langſam uͤber das weite Gewoͤlbe und
zeigte ſeine blaßleuchtende Haͤlfte, aͤhnlich der Si-
chel des Schnitters oder dem gekruͤmmten Bogen
— des Schuͤtzen. — Brenno, hingeſtreckt neben dem
halberloſchenden Wachtfeuer, hatte ſich in ſeinen
weiten Mantel gehuͤllt, ſein Haupt ruhte auf dem
Sattel ſeines fluͤchtigen Roſſes, und ſchon war der
Larm der Krieger um ihn her verſtummt, — nur
das heiſere Gezirpe der Feldgrille ließ ſich noch hoͤ⸗
ren, das Geſtampfe der an Pfaͤhlen befeſtigten
Pferde, und in langen Zwiſchenraͤumen, der Nacht-
ruf der wachſamen Vedetten! —
Langſam wich eine Stunde der andern; Brenno
verlor ſich in Gedanken, er dachte an ſeine Ge-
liebte, ſeine ſanfte Emilie mit dem holden Laͤcheln,
dem blauen Auge voll Guͤte, und dem ſuͤßen Laute
verſtäͤndiger Worte! Schoͤne Bilder der Vergan-
genheit, Träͤume der Zukunft umgaukelten ihn, und
ſo hatte ihn der Schlaf uͤberraſcht, als der Wind
voͤn der Meereskuſte her, regenſchwere Wolken her-
beitrieb, und der Sturm uͤber die Felder ſauſte.
Brenno erhob ſich und ſuchte in der Kirche, deren
Thuͤren halb offen ſtanden, Schutz gegen den in
Stromen herabfallenden Regen. — Die Kirche war
dunkel und feucht; leuchtende Blitze, welche durch
die bunigemalten Fenſterſcheiben drangen,‚ erhell-