Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0272
DOI Kapitel:
No 53-65 (Mai 1823)
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- Einband
- Titelblatt
- [Inhalt]
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No 1-13 (Januar 1823)
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No 14-25 (Februar 1823)
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No 26-39 (März 1823)
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No 1 Intelligenzblatt zur Charis
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No 40-52 (April 1823)
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No 53-65 (Mai 1823)
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No 66-78 (Juni 1823)
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No 2 Intelligenzblatt zur Charis
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No 79-91 (Juli 1823)
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No 92-104 (August 1823)
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No 105-117 (September 1823)
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No 3 Intelligenzblatt zur Charis
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No 118-130 (Oktober 1823)
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No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
-
No 4 Intelligenzblatt zur Charis
- Inhalt
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro. 56. Sonnabend den 10. Mai 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Kranke Liebe.
ö Sortſetzung.
Inwährend Werner ſo, da ihm entſchwebte
Der Traum des Herzens wie im Wald ein Schimmer,
In düſtrer Bangigkeit ſein Leben lebte,
Genas auch Hugo von den Wunden nimmer,
Seit ihn der Lieb' und Freundſchaft Pfeil durchbebte;
Und hingekehrt auf ſeines Glückes Trümmer,
Sah er die Fahre kommen und vergehen
Wie Säulen oft von Tempeln übrig ſtehen.
In edlern Seelen löst ſich von dem Bilde
Das ſie mit Schmerzenslieb' am Buſen tragen,
Jeglicher Fleck in ſchöner Farben Milde,
Von der Erinnrung liebend aufgetragen.
So ſchien es Hugo'n, daß ſich ihm vergülde,
Das Angedenken von den frühern Tagen;
Nur zärtlicher Erinnrung Regenbogen
Enttauchte ſeiner Thränen tiefen Wogen.
In ſeiner Trauer brachte Hugo Stunden
In jenem Walde zu, wo eine Schmiede ö
Das Kind verharg, von dem die Frau entbunden.
Lag es mit zugeſenktem Augenliede,
Da ſchloßen ſich des Vaters herbe Wunden,
Und aus des Kindes Träumen ſprach der Friede;
Eröffnete das Kind die blauen Blicke,
Da kämpfte Hugo blind mit dem Geſchickt.
Verkleidet kam er oft zur Schmiedehütte,
Es ſties ihn ab, und zog ihn wie mit Banden;
Umgeben von der Einfalt frommer Sitte,
Wuchs auf das Kind, nur Reh' und Lämmer wanden,
Sich ſchmeichelnd um des zarten Weſens Schritte,
Und wo die ſchweren Eiſenwerke ſtanden,
Da ſchienen in der Nacht des Kindes Locken
Wie goldne Faden an der Parze Rocken.
Von Schmerz und Luſt mit gleicher Kraft getrieben
Fand Hugo ſich, das Kind aufs Schloß zu nehmen;
Die Pflegeältern, um nicht ſelbſi zu trüben
Des Pfleglings Zukunſt, wollten ſich bequemen,
Sie kannten nicht die Quelle von dem Lieben,
Das halb ein Tröſten war, und halb'ein Grämen,
Sie prieſen nur den Stern, der in das Dunkle
Dem armen Kind wie aus der Heimath funkle.
Bis hierher war das Unglück für den einen
Der Freunde ſchwerer; doch in Hugo's Schaale
Sank bald der laſtendſie von allen Steinen;
Der Argwohn zückte ſeine Blitzesſtrale.
Sich ſelbſt begann da Hugo zu beweinen/
Sich fühlend an des Miftrauns ſtarrem Pfahle,
An den er wie im Wahn ſich ſelbſt gebunden/
Als Pfeil Antonia's Blicke zu erkunden.
Gerührt ſah Hugo oft des Kindes Spiele,
Es liebte ſich in Wellen zu beſchauen,
Nro. 56. Sonnabend den 10. Mai 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Kranke Liebe.
ö Sortſetzung.
Inwährend Werner ſo, da ihm entſchwebte
Der Traum des Herzens wie im Wald ein Schimmer,
In düſtrer Bangigkeit ſein Leben lebte,
Genas auch Hugo von den Wunden nimmer,
Seit ihn der Lieb' und Freundſchaft Pfeil durchbebte;
Und hingekehrt auf ſeines Glückes Trümmer,
Sah er die Fahre kommen und vergehen
Wie Säulen oft von Tempeln übrig ſtehen.
In edlern Seelen löst ſich von dem Bilde
Das ſie mit Schmerzenslieb' am Buſen tragen,
Jeglicher Fleck in ſchöner Farben Milde,
Von der Erinnrung liebend aufgetragen.
So ſchien es Hugo'n, daß ſich ihm vergülde,
Das Angedenken von den frühern Tagen;
Nur zärtlicher Erinnrung Regenbogen
Enttauchte ſeiner Thränen tiefen Wogen.
In ſeiner Trauer brachte Hugo Stunden
In jenem Walde zu, wo eine Schmiede ö
Das Kind verharg, von dem die Frau entbunden.
Lag es mit zugeſenktem Augenliede,
Da ſchloßen ſich des Vaters herbe Wunden,
Und aus des Kindes Träumen ſprach der Friede;
Eröffnete das Kind die blauen Blicke,
Da kämpfte Hugo blind mit dem Geſchickt.
Verkleidet kam er oft zur Schmiedehütte,
Es ſties ihn ab, und zog ihn wie mit Banden;
Umgeben von der Einfalt frommer Sitte,
Wuchs auf das Kind, nur Reh' und Lämmer wanden,
Sich ſchmeichelnd um des zarten Weſens Schritte,
Und wo die ſchweren Eiſenwerke ſtanden,
Da ſchienen in der Nacht des Kindes Locken
Wie goldne Faden an der Parze Rocken.
Von Schmerz und Luſt mit gleicher Kraft getrieben
Fand Hugo ſich, das Kind aufs Schloß zu nehmen;
Die Pflegeältern, um nicht ſelbſi zu trüben
Des Pfleglings Zukunſt, wollten ſich bequemen,
Sie kannten nicht die Quelle von dem Lieben,
Das halb ein Tröſten war, und halb'ein Grämen,
Sie prieſen nur den Stern, der in das Dunkle
Dem armen Kind wie aus der Heimath funkle.
Bis hierher war das Unglück für den einen
Der Freunde ſchwerer; doch in Hugo's Schaale
Sank bald der laſtendſie von allen Steinen;
Der Argwohn zückte ſeine Blitzesſtrale.
Sich ſelbſt begann da Hugo zu beweinen/
Sich fühlend an des Miftrauns ſtarrem Pfahle,
An den er wie im Wahn ſich ſelbſt gebunden/
Als Pfeil Antonia's Blicke zu erkunden.
Gerührt ſah Hugo oft des Kindes Spiele,
Es liebte ſich in Wellen zu beſchauen,