Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0095
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No 14-25 (Februar 1823)
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- Einband
- Titelblatt
- [Inhalt]
-
No 1-13 (Januar 1823)
-
No 14-25 (Februar 1823)
-
No 26-39 (März 1823)
-
No 1 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 40-52 (April 1823)
-
No 53-65 (Mai 1823)
-
No 66-78 (Juni 1823)
-
No 2 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 79-91 (Juli 1823)
-
No 92-104 (August 1823)
-
No 105-117 (September 1823)
-
No 3 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 118-130 (Oktober 1823)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
-
No 4 Intelligenzblatt zur Charis
- Inhalt
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
½%
6
96
oc
.
*
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro. 19. Mittwoch den 12. Februar 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Die Kapelle Kindlimord
bei Gerſauſan Vierwaloͤſtädter
Horch, welch ängſtlich Gewimmer
Am ſchäumenden Felſenquell!
Es ſchweiget nimmer und nimmer
Dort an der Kindlikapell.
Denn ſchwere Thaten verkündet der Ort.
Die ſchäumenden Waſſer blutigroth/
Sie weinen und klagen fort und fort:
Hier ſchlug ein Vater ſein Kindlein todt!
Er nahm ſein Kindlein und führt's zur Höh',
Die ſchroff in den See ſch ſtürzt; ö
Und ſieht nieder zum ſtürmenden See,
Denkt, wie er ſein Leiden verkürzt.
* Mein Vater, wie ſiehſt Du ſo wild und graus?
Es macht zu ſehen mir Noth.
Romm / lieb Vater, und führ' mich nach Haus,
Ind gieb Deinem Kindli Brod.“
uVynSitt im Himmel, o ſieh' das Leid!“
So ruft er, und rauft ſich den Bart.
„ydör', wie das Kind nach Nahrung ſchreit!
O Gott, deine Strafe iſt hart.“
Verzweifelnd faht er des Kindes Arm,
Sieht's rollenden Auges an.
See.
„Lieb Vater, ich machte Dir nimmer Harm;
Was hab' ich Dir Leids gethan 2
„Du thateſt mir fonſt ſo lieb und gut;
Warum giebſt heute nicht Brod?“ ö
„„Schweig / Elend, oder du ſtirbſt meiner Wuth! — *
„Dein Kindlein hungert ſich todt.“
„VGott, Vater! Du raubteſt mir Glück und Gut,
Und läßt mich ſchmachten in Noth.
So raub' ich dem Kindli Leben und Blut;
Dort iſt ihm beſſer im TDod.
Und um das Kindlein ſchlingt er den Arm/
Setzt ſchon zum Morde das Meſſer an.
„Lieb Vater, ich machte Dir nimmer Harm;
Was hab' ich Dir heute ſo Leids gethan?“
„Noch ſtell' ich dir das Leben zu Kauf;
Auf drei Fragen noch ſprich.
Doch löſeſt du die Fragen nicht auf,
Dann/ Kindli, — mord' ich dich!
„Wo riiht es ſich weicher, als im Moos ?
Andieb Vater im Mutter⸗Schoos. .
un Was iſt ſüßer, als Honig noch ι
5„Süßer Muttermilch doch.“
„y Was iſt haͤrter als Felſenſtein 266
„— Vaterherz kann es ſeyn.“ ö
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*
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro. 19. Mittwoch den 12. Februar 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Die Kapelle Kindlimord
bei Gerſauſan Vierwaloͤſtädter
Horch, welch ängſtlich Gewimmer
Am ſchäumenden Felſenquell!
Es ſchweiget nimmer und nimmer
Dort an der Kindlikapell.
Denn ſchwere Thaten verkündet der Ort.
Die ſchäumenden Waſſer blutigroth/
Sie weinen und klagen fort und fort:
Hier ſchlug ein Vater ſein Kindlein todt!
Er nahm ſein Kindlein und führt's zur Höh',
Die ſchroff in den See ſch ſtürzt; ö
Und ſieht nieder zum ſtürmenden See,
Denkt, wie er ſein Leiden verkürzt.
* Mein Vater, wie ſiehſt Du ſo wild und graus?
Es macht zu ſehen mir Noth.
Romm / lieb Vater, und führ' mich nach Haus,
Ind gieb Deinem Kindli Brod.“
uVynSitt im Himmel, o ſieh' das Leid!“
So ruft er, und rauft ſich den Bart.
„ydör', wie das Kind nach Nahrung ſchreit!
O Gott, deine Strafe iſt hart.“
Verzweifelnd faht er des Kindes Arm,
Sieht's rollenden Auges an.
See.
„Lieb Vater, ich machte Dir nimmer Harm;
Was hab' ich Dir Leids gethan 2
„Du thateſt mir fonſt ſo lieb und gut;
Warum giebſt heute nicht Brod?“ ö
„„Schweig / Elend, oder du ſtirbſt meiner Wuth! — *
„Dein Kindlein hungert ſich todt.“
„VGott, Vater! Du raubteſt mir Glück und Gut,
Und läßt mich ſchmachten in Noth.
So raub' ich dem Kindli Leben und Blut;
Dort iſt ihm beſſer im TDod.
Und um das Kindlein ſchlingt er den Arm/
Setzt ſchon zum Morde das Meſſer an.
„Lieb Vater, ich machte Dir nimmer Harm;
Was hab' ich Dir heute ſo Leids gethan?“
„Noch ſtell' ich dir das Leben zu Kauf;
Auf drei Fragen noch ſprich.
Doch löſeſt du die Fragen nicht auf,
Dann/ Kindli, — mord' ich dich!
„Wo riiht es ſich weicher, als im Moos ?
Andieb Vater im Mutter⸗Schoos. .
un Was iſt ſüßer, als Honig noch ι
5„Süßer Muttermilch doch.“
„y Was iſt haͤrter als Felſenſtein 266
„— Vaterherz kann es ſeyn.“ ö