Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0725
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No 144-157 (Dezember 1824)
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- Einband
- Titelblatt
- [Inhalt]
-
No 1-13 (Januar 1823)
-
No 14-25 (Februar 1823)
-
No 26-39 (März 1823)
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No 1 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 40-52 (April 1823)
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No 53-65 (Mai 1823)
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No 66-78 (Juni 1823)
-
No 2 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 79-91 (Juli 1823)
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No 92-104 (August 1823)
-
No 105-117 (September 1823)
-
No 3 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 118-130 (Oktober 1823)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
-
No 4 Intelligenzblatt zur Charis
- Inhalt
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro. 148. Mittwoch den 10. Dezember 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Noas und Offenbarung.
Wohlund Wehe.
Wohl ſchwebt auf der Zukunft dunkelen Fluth
Ein ſilbern befiederter Schwan;
Sein Leib iſt aͤtheriſch, phantaſtiſch ſein Blut,
Drum ſucht er die leuchtende Bahn.
Tief unten auf Stromes felſigtem Grund
Da hat er ſein ſchimmerndes Schloß,
Da thut er als himmliſche Wahrheit dir kund
Was hier ihn als Zauber umfloß.
Die Menſchheit, ſie lebt durch ſein wunderbar Licht,
Sie trinket und ſaugt aus ihm Luſt;
Doch alle durchglüͤhet ſein Leuchten nicht,
Nicht Jeder fuͤhlt's in der Bruſt.
Naht aber ein armes leidendes Herz,
Und will's ſeines Glanzes ſich freun,
Dem gibt er Licht, da loͤst er den Schmerz,
—. zieht's mit zum Schloſſe hinein.
OaAhnung, du ſüßes, du himmliſches Bild!
Nimm mich in das Schloß mit hinab, ö
Ins Schloß, dem Liebe und Wahrheit entquillt,
Ins zaubernde Schloß — in das Grab.
Herrmann von Hinüber.
(Sortſetzung.)
8.
Das Weinfeſſt.
Der letzte Tag der Weinleſe war gekommen, und ſchon.
Morgens verſammelten ſich, nach vieljaͤhriger Sitte, die
Freunde und Nachbarn des Majors mit ihren Frauen und
Töchtern, gemeinſchaftlich das froͤhliche Weinfeſt zu begehen.
„Eduard glaubte ſich in die Schaͤferwelt des goldnen
Zeitalters verſetzt, als er, ſtatt der kunſtvoll und koſtbar
geſchmückten Damen nur in einfach-laͤndliche Tracht aber
überaus reizend gekleidete Jungfrauen erblickte; auch die
jüngeren Herrn naͤherten ſich der laͤndlichen Kleidung, und
er ſelbſt fand unerwartet in ſeinem Zimmer am Vorabende
eine paſſende nette Bauerntracht nebſt blau-geſchmücktem
Strohhute; nur zuweilen weckte ihn der Anblick eines ge-
puderten Hauptes der Alten, oder das Rauſchen ſtoffener
Schleppenkleider der Mütter aus ſeinen Zaubertraͤumen.
Bier zeigte ſich die ganze Lebendigkeit und das leichtfer-
tige Feuer des franzoͤſiſchen Charakters mit der deutſchen
Naivetaͤt und Herzlichkeit in ſchoͤnſter wunderſamer Ver-
ſchmelzung.
Als Alle verſammelt, ordnete der Major und Jeannette
den Zug der Winzer und Winzerinnen, theilte jedem Meſ-
ſer und zierlichen Tragkorb zu, und unter dem heitren
Marſche von volltoͤnenden Blasinſtrumenten und Ge-
ſange zog die Jugend dem Alter, das unterdeß im Kuͤh⸗
Nro. 148. Mittwoch den 10. Dezember 1823.
Verantwortlicher Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Noas und Offenbarung.
Wohlund Wehe.
Wohl ſchwebt auf der Zukunft dunkelen Fluth
Ein ſilbern befiederter Schwan;
Sein Leib iſt aͤtheriſch, phantaſtiſch ſein Blut,
Drum ſucht er die leuchtende Bahn.
Tief unten auf Stromes felſigtem Grund
Da hat er ſein ſchimmerndes Schloß,
Da thut er als himmliſche Wahrheit dir kund
Was hier ihn als Zauber umfloß.
Die Menſchheit, ſie lebt durch ſein wunderbar Licht,
Sie trinket und ſaugt aus ihm Luſt;
Doch alle durchglüͤhet ſein Leuchten nicht,
Nicht Jeder fuͤhlt's in der Bruſt.
Naht aber ein armes leidendes Herz,
Und will's ſeines Glanzes ſich freun,
Dem gibt er Licht, da loͤst er den Schmerz,
—. zieht's mit zum Schloſſe hinein.
OaAhnung, du ſüßes, du himmliſches Bild!
Nimm mich in das Schloß mit hinab, ö
Ins Schloß, dem Liebe und Wahrheit entquillt,
Ins zaubernde Schloß — in das Grab.
Herrmann von Hinüber.
(Sortſetzung.)
8.
Das Weinfeſſt.
Der letzte Tag der Weinleſe war gekommen, und ſchon.
Morgens verſammelten ſich, nach vieljaͤhriger Sitte, die
Freunde und Nachbarn des Majors mit ihren Frauen und
Töchtern, gemeinſchaftlich das froͤhliche Weinfeſt zu begehen.
„Eduard glaubte ſich in die Schaͤferwelt des goldnen
Zeitalters verſetzt, als er, ſtatt der kunſtvoll und koſtbar
geſchmückten Damen nur in einfach-laͤndliche Tracht aber
überaus reizend gekleidete Jungfrauen erblickte; auch die
jüngeren Herrn naͤherten ſich der laͤndlichen Kleidung, und
er ſelbſt fand unerwartet in ſeinem Zimmer am Vorabende
eine paſſende nette Bauerntracht nebſt blau-geſchmücktem
Strohhute; nur zuweilen weckte ihn der Anblick eines ge-
puderten Hauptes der Alten, oder das Rauſchen ſtoffener
Schleppenkleider der Mütter aus ſeinen Zaubertraͤumen.
Bier zeigte ſich die ganze Lebendigkeit und das leichtfer-
tige Feuer des franzoͤſiſchen Charakters mit der deutſchen
Naivetaͤt und Herzlichkeit in ſchoͤnſter wunderſamer Ver-
ſchmelzung.
Als Alle verſammelt, ordnete der Major und Jeannette
den Zug der Winzer und Winzerinnen, theilte jedem Meſ-
ſer und zierlichen Tragkorb zu, und unter dem heitren
Marſche von volltoͤnenden Blasinſtrumenten und Ge-
ſange zog die Jugend dem Alter, das unterdeß im Kuͤh⸗