Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823

DOI chapter:
No 1-13 (Januar 1823)
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0022

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
NC
4. SN —.8— —..—
* X.. V
—. ——
— —
— —



Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.

Nro. 4.

Mittwoch den 8. Januar

1823.

Verantwortlich er Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.

Der Unbekannte.
(Fortſetzung.)

Der Unbekannte.

Rur Eine fremde Erſcheinung unterbrach zuweilen
das Gleichmaßige ihrer Umgebung, es war ein

Hjiiunger Mann, der woͤchentlich zweimal kam, Briefe

abzuholen, die unter des Verwalters Adreſſe anka-
men, und an Georg Waldmann abzugeben waren.

Wer iſt das?“ fragte ſie, als ſie ihn das erſtemal

ſah, und durch ſein intereſſantes Weſen aufmerkſam
gemacht wurde. ö
„Das weiß Niemand,« erwiederte der Verwalter.

„Vor vierzehn Tagen kam ein Brief an mich, mit

der Bitte, die Einlage liegen zu laſſen, bis ein
ſchlanker Menſch mit ſchwarzen Augen und einem
Taftpflaſter auf der Stirn, ihn abfordern wuͤrde.

Am andern Tag kam er. Aber wer er iſt, und
wo er ſich aüfhalt, weiß ich nicht. Er mag wohl
eine Ehrenfache gehabt haben, wie ſie's nennen.“

Gegenſtück.

Der Unbekannte begegnete ihr zuweilen auf den

Bergen. Immer grüßte er, aber nie redete er ſie
gen. ner gru

an. Einſt ſaß ſie Morgens auf einem Fels, unter
dem ſich der Weg nach dem Staͤdtchen hinzog. Da
kam ein eleganter junger Mann zu Pferd, von ei-
nem Bedienten und zwei Doggen begleitet, voruͤber.
Er ritt langſam als er ſie ſah, und betrachtete ſie
mit dreiſten Blicken. Hortenſien verdroß das, ſie
ſtand raſch auf und entfernte ſich, ohne auf ſeine

Frage, wie weit es nach dem naͤchſten Dorfe ſey? zu

antworten.

Als ſie nach einem Umweg ſich dem Haus

naͤherte, hielt der Bediente mit den Pferden davor.

Sie hoffte durch den Garten unbemerkt in ihr
Zimmer kommen zu koͤnnen, aber eben im Garten
fand ſie den Fremden bei ihren Hausleuten. Sie
wollte voruͤber, er trat ihr in den Weg, und ſagte:
„Warum ſo ſcheu, ſchoͤnes Maͤdchen? iſt das blos
ländliche Sproͤdigkeit?“ Seine Blicke fixirten ſie
dabei liſtig und keck. Hortenſia riß ihm ihre Hand
weg, rief: „laſſen Sie mich!“ und floh ins Haus.
Nach einer halben Stunde ritt er fort. Es war,
ſagte ihr der Verwalter, ein Fremder, der von
der Schoͤnheit des Thals gehoͤrt, und einen Um-
weg gemacht habe, um es zu ſehen. Sie war froh,
 
Annotationen