Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0022
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No 1-13 (Januar 1823)
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- Einband
- Titelblatt
- [Inhalt]
-
No 1-13 (Januar 1823)
-
No 14-25 (Februar 1823)
-
No 26-39 (März 1823)
-
No 1 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 40-52 (April 1823)
-
No 53-65 (Mai 1823)
-
No 66-78 (Juni 1823)
-
No 2 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 79-91 (Juli 1823)
-
No 92-104 (August 1823)
-
No 105-117 (September 1823)
-
No 3 Intelligenzblatt zur Charis
-
No 118-130 (Oktober 1823)
-
No 131-143 (November 1824)
-
No 144-157 (Dezember 1824)
-
No 4 Intelligenzblatt zur Charis
- Inhalt
- Einband
- Maßstab/Farbkeil
NC
4. SN —.8— —..—
* X.. V
—. ——
— —
— —
—
Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro. 4.
Mittwoch den 8. Januar
1823.
Verantwortlich er Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Der Unbekannte.
(Fortſetzung.)
Der Unbekannte.
Rur Eine fremde Erſcheinung unterbrach zuweilen
das Gleichmaßige ihrer Umgebung, es war ein
Hjiiunger Mann, der woͤchentlich zweimal kam, Briefe
abzuholen, die unter des Verwalters Adreſſe anka-
men, und an Georg Waldmann abzugeben waren.
Wer iſt das?“ fragte ſie, als ſie ihn das erſtemal
ſah, und durch ſein intereſſantes Weſen aufmerkſam
gemacht wurde. ö
„Das weiß Niemand,« erwiederte der Verwalter.
„Vor vierzehn Tagen kam ein Brief an mich, mit
der Bitte, die Einlage liegen zu laſſen, bis ein
ſchlanker Menſch mit ſchwarzen Augen und einem
Taftpflaſter auf der Stirn, ihn abfordern wuͤrde.
Am andern Tag kam er. Aber wer er iſt, und
wo er ſich aüfhalt, weiß ich nicht. Er mag wohl
eine Ehrenfache gehabt haben, wie ſie's nennen.“
Gegenſtück.
Der Unbekannte begegnete ihr zuweilen auf den
Bergen. Immer grüßte er, aber nie redete er ſie
gen. ner gru
an. Einſt ſaß ſie Morgens auf einem Fels, unter
dem ſich der Weg nach dem Staͤdtchen hinzog. Da
kam ein eleganter junger Mann zu Pferd, von ei-
nem Bedienten und zwei Doggen begleitet, voruͤber.
Er ritt langſam als er ſie ſah, und betrachtete ſie
mit dreiſten Blicken. Hortenſien verdroß das, ſie
ſtand raſch auf und entfernte ſich, ohne auf ſeine
Frage, wie weit es nach dem naͤchſten Dorfe ſey? zu
antworten.
Als ſie nach einem Umweg ſich dem Haus
naͤherte, hielt der Bediente mit den Pferden davor.
Sie hoffte durch den Garten unbemerkt in ihr
Zimmer kommen zu koͤnnen, aber eben im Garten
fand ſie den Fremden bei ihren Hausleuten. Sie
wollte voruͤber, er trat ihr in den Weg, und ſagte:
„Warum ſo ſcheu, ſchoͤnes Maͤdchen? iſt das blos
ländliche Sproͤdigkeit?“ Seine Blicke fixirten ſie
dabei liſtig und keck. Hortenſia riß ihm ihre Hand
weg, rief: „laſſen Sie mich!“ und floh ins Haus.
Nach einer halben Stunde ritt er fort. Es war,
ſagte ihr der Verwalter, ein Fremder, der von
der Schoͤnheit des Thals gehoͤrt, und einen Um-
weg gemacht habe, um es zu ſehen. Sie war froh,
4. SN —.8— —..—
* X.. V
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— —
— —
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Rheiniſche Morgenzeitung fuͤr gebildete Leſer.
Nro. 4.
Mittwoch den 8. Januar
1823.
Verantwortlich er Redakteur und Herausgeber: Friedrich Karl Freiherr von Erlach.
Der Unbekannte.
(Fortſetzung.)
Der Unbekannte.
Rur Eine fremde Erſcheinung unterbrach zuweilen
das Gleichmaßige ihrer Umgebung, es war ein
Hjiiunger Mann, der woͤchentlich zweimal kam, Briefe
abzuholen, die unter des Verwalters Adreſſe anka-
men, und an Georg Waldmann abzugeben waren.
Wer iſt das?“ fragte ſie, als ſie ihn das erſtemal
ſah, und durch ſein intereſſantes Weſen aufmerkſam
gemacht wurde. ö
„Das weiß Niemand,« erwiederte der Verwalter.
„Vor vierzehn Tagen kam ein Brief an mich, mit
der Bitte, die Einlage liegen zu laſſen, bis ein
ſchlanker Menſch mit ſchwarzen Augen und einem
Taftpflaſter auf der Stirn, ihn abfordern wuͤrde.
Am andern Tag kam er. Aber wer er iſt, und
wo er ſich aüfhalt, weiß ich nicht. Er mag wohl
eine Ehrenfache gehabt haben, wie ſie's nennen.“
Gegenſtück.
Der Unbekannte begegnete ihr zuweilen auf den
Bergen. Immer grüßte er, aber nie redete er ſie
gen. ner gru
an. Einſt ſaß ſie Morgens auf einem Fels, unter
dem ſich der Weg nach dem Staͤdtchen hinzog. Da
kam ein eleganter junger Mann zu Pferd, von ei-
nem Bedienten und zwei Doggen begleitet, voruͤber.
Er ritt langſam als er ſie ſah, und betrachtete ſie
mit dreiſten Blicken. Hortenſien verdroß das, ſie
ſtand raſch auf und entfernte ſich, ohne auf ſeine
Frage, wie weit es nach dem naͤchſten Dorfe ſey? zu
antworten.
Als ſie nach einem Umweg ſich dem Haus
naͤherte, hielt der Bediente mit den Pferden davor.
Sie hoffte durch den Garten unbemerkt in ihr
Zimmer kommen zu koͤnnen, aber eben im Garten
fand ſie den Fremden bei ihren Hausleuten. Sie
wollte voruͤber, er trat ihr in den Weg, und ſagte:
„Warum ſo ſcheu, ſchoͤnes Maͤdchen? iſt das blos
ländliche Sproͤdigkeit?“ Seine Blicke fixirten ſie
dabei liſtig und keck. Hortenſia riß ihm ihre Hand
weg, rief: „laſſen Sie mich!“ und floh ins Haus.
Nach einer halben Stunde ritt er fort. Es war,
ſagte ihr der Verwalter, ein Fremder, der von
der Schoͤnheit des Thals gehoͤrt, und einen Um-
weg gemacht habe, um es zu ſehen. Sie war froh,