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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823

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No 92-104 (August 1823)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0505

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Alte morſche Grabesſteine,
Kommt herauf
Todte modernde Gebeine/,
Hoͤret, wie der Kirche Hallen
Wiederſchaͤllen —
Von der heißen Seelenklage;
Kommt herauf und gebt Entſcheidung mir,
Gebt mir Antwort auf die Frage;
Nennt ihr ſündlich die Begier? — —
Geſang.
Chriſtus, Heiland unſer aller,
„Der des Schickſals Wage häaͤlt,
Vorbild du dem müden Waller,

Schuͤtz' ihn, wenn er ſtrauchelnd faͤllt;

Wir erſchienen
Dir zu dienen,
Leit' uns auf in deine Welt!
Möunch.
Könnt' ich in den Himmel faſſen,
Raͤchen wollt' ich meine Schmach,
Daß ich ſo den hellen Tag,
Wie mein eigen Selbſt muß haſſen.
Keinen Stern wollt' ich ihm laſſen
Und die Sonne ſtuͤrzte nieder. —
Himmel, du haſt klug gethan,
Daß du hemmteſt meine Bahn,
Nichts mir gabſt, als dieſe Glieder;
Laͤg dein Blitz in meiner Hand,
Steckt' ich deine Welt in Brand. —
Lieben nicht? und nur entſagen
Soll ich? mich zum Himmel wenden? —
Lieber will ich liebend enden,
Ew'gen Fluch dann auf mir tragen;
Wie? hab' ich denn mehr begangen,
Liebt ſich doch die weite Welt,
Die mein Sehnen und Verlangen
Eng' in Banden eingefangen,
Tückiſch hier gefeſſelt haͤlt. —
Fern, in heißem Liebesſchmachten
Muß ich Liebesgluck betrachten,
Muß entſagend mich verachten
Und genießend untergehn. —
Himmel, laß mich dies verſtehn.
Loͤſe mir die Rathſel alle,
Oder foͤrd're mich zum Falle! —
Geſang.
Ew'ge Liebe, Geiſt voll Wunder,
Der du dich uns aufgethan,
Komme ſegnend du herunter
Leit' uns auf der Dornenbahn,
Unſ're Seelen,
Wenn wir fehlen
Hebe gnädig du hinan!
Mönch. *
Tobe nur wild durch mein ganzes Weſen,
Reiße mich nieder du heulender Sturm,
Mich hat der Himmel zur Schmach erleſen

Und er begluͤcte den kriechenden Wurm. —
Weg von dem ewigen Vaterlande,
Deine Seligkeit brauch' ich nicht;
Hier mit den Füßen tret' ich die Pflicht,
Nimm mir zur Rache dein ewiges Licht,
Gib nur der Liebe beglückende Bande.
Wild im Gemüthe, wie im Verſtande
Tobt es in ungeheurem Brande.
Harre noch an mit deinem Strahl,
Bis ich der Seligkeit Becher genoſſen,
Sey mir der Himmel auch dann verſchloſſen,
Foltere dann mich mit jeglicher Qual;
Bette mich auf glühenden Neſſeln
Schmiede mir ſchwerere ewige Feſſeln,
Sundigen laß mich, oder nimm von mir
Dieſe furchtbar heiße Begier. —
(ſinkt betäubt zu Boden.)
Geſang 5
— Friede, der die Himmel leitet
Komm herab zu unſ'rer Luſt,
Seligkeit iſt uns bereitet,
Bleibt der Glaube unſ'rer Bruſt:
Bricht das Auge,
Auf dann tauche ö
Seele dich ins Meer der Luſt.
(Schluß folgt.)

Die Kur.

(Fortfetzun g.)
Hoch erſtaunt über den Inhalt dieſes Briefes, durchlas
Reinhold denſelben zu wiederholtenmalen. Ihn, dem keine
Ahnung von dem tiefen Eindruck geworden war, den er in
Betty's Gemüth zuruͤckgelaſſen, und der bei der ſtrengſten
Prüfung ſeiner ſelbſt, ſich keiner Uebereilung bewußt war,
die er bereuen duͤrfte, — mußten die Andeutungen der Ba-
ronin, und der Zuſtand des unglücklichen Maͤdchens aufs
hoͤchſte überraſchen. — Wohl ſtand Betty's Bild, in dem
Zauber der Unſchuld und des unbefangenen Vertrauens noch

lebhaft in ſeinem Gemuͤth, doch hatte es nur zu denen Er-

ſcheinungen gehoͤrt, die das Leben ſo oft und gern an den
Blicken des Kriegers voruͤberfuhrt, um ſein Herz empfaͤng-
lich und warm fuͤr das Schoͤne und Gute, und mitten im
Treiben ſeines ernſten Berufes, weich und mild zu erhal-
ten, und die ſeinen Pilgerpfad wie holde Genien umſte-
hen, ohne in ihm das Verlangen zu erregen, denſelben mit
ihnen ungetrennt zu durchwandern. — Die aufrichtigſte Ver-
ehrung knupfte indeß ſein Herz an die ehrwürdige Baro-
nin und ihre ſchöne Nichte, — und wohl hätten die alten
Banden der Dankbarkeit ihn laͤngſt nach Friedheim gezogen,
waͤre er nicht bei der Ruͤckkehr in ſeine Heimath von einem
lebhaften Intereſſe zuruͤckgehalten worden, welches, da es

mit ſeiner Vergangenheit wie mit ſeiner Zukunft in Ver-

bindung ſtand, ſein Gemüth ſogleich vorwaltend gefangen nahm.
Wir erinnern uns einer frühern Andeutung Reinholds,

welche ſich auf eine Perſon bezog, deren Zuſtand ihn zu-
erſt beſtimmt hatte, ſich ſeinem jetzigen Beruf zu widmen.

— Dieſes aber war eine junge Dame, deren ſanfte Geduld
 
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