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Charis: rhein. Morgenzeitung für gebildete Leser (3) — 1823

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No 79-91 (Juli 1823)
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https://doi.org/10.11588/diglit.22118#0427

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Nachrichten uͤber Kunſt, L

22 — —o ——

Chronik der Großh. Schaubuͤhne zu Mannhein.

Die Beurtheilung des am 9. Juli im Theater⸗ Saale ge-
gebenen „Conzerts der Demoiſelle Mariane Kainz, Sän-
gerin von Wien, werden wir, in Vereinigung mit demt zwei-
ten am 18. Juli, nachbringen.
Donnerſtag, den 10. Juli, 1823. „Die argwoͤhniſchen
Cheleute.“ Luſtſpiel in à Abtheilungen, v. Kotzebue. (Siehe
Nro. 26. 1821. Nro. 56. 1822. Nro. 34. 1823.)
Sonntag, den 13. Juli, 1323. „Othello, der Mohr von
Venedig.“ Oper in 3 Abtheilungen; Muſik von Roſſini.
(Siehe Nro. 46. 61. u. 76. 1822.0
Dienſtag, den 15. Juli, 1823. „Welcher iſt der Braͤu⸗
tigam?“ Luſtſpiel in 4 Abtheilungen, von Joh. v. Weißen-
thurn. (Siehe Nro. 101. 1822.)
Die Gemälde dieſes heitern Stücks, hatten heute, beſonders durch
die Bemühungen des Herrn Loewe (Langers) des Herrn Grua d. J.
(Ferdinand Bilau) und der Frau Rüppell (Kaethe), Feinheit, Lebhaf-

tigkeit, friſche Farbe und Rundung. Aber auch der andern Reihe von
Bildern war ein blühenderes Kolorit als am 3. Decbr. d. v. J. auf-

gelegt. Jedes Talent ſtand an ſeinem Platz, und ſo konnte es nicht

fehlen, daß aus einer zweckmäßigen Vereinigung aller Kräfte, ein ge-
wiſſes äſthetiſches Gelingen hervorging das zur angenehmen Unter-
haltung beitrug und die Aufhebung einiger Schattenſeiten dieſes Luſt ·
i wirkte.
murrdn ener Erlach.

22— — —— —2— — — — —— 22—— — — ————

Korreſpondenz⸗ Nachrichten.

Darmſtadt, den 15. Juni 1823.
Endlich iſt uns das Vergnügen zu Theil geworden mit der Wiederge-
neſung unſers Landesfürſten auch die Oper auf die Bühne zurückkehren
zu ſehen und zwar am 19. vorigen Monats: „Johann von Paris.“
Singſpiel in 2 Akten nach St. Juſt, von Ritter. Muſik von Bojel-
dieu. — Die Darſtellung des Ganzen iſt gut zu nennen / obgleich ein
lebhafterer Beifall zu erwarten ſtand. Die Ouvertüre war mit Prä-
eiſion und Geſchmack vorgetragen. Herr Wild als Johann wurde leb-
haft empfangen, ſagte uns aber heute nicht ganz zu. Wiewohl ſein
Geſang im Ganzen vorzüglich war, ſo iſt namentlich ſein Spiel ſo
nachläßig geweſen und die Dialoge ſo oberflächlich hingeworfen, daß
dadurch nicht nur der Geiſt der ganzen Rolle entſchwand, ſondern auch
auf das Publikum eine unangenehme Wirkung übertragen wurde. Vor-
züglich ſchön trug er die große Arie im 2. Akte „der Ritterſchaft Zierde
und Glanz“ vor, ſo wie auch den Troubadour. Das Tempo des lez-
tern hätte Herr Wild freilich etwas geſchwinder nehmen ſollen, indem
dieſes Tonſtück in dem Geſchmack der franzöſtſchen Conzonetten geſchrie-
ben iſt, und von Bojeldieu auch mit Allegretto bezeichnet wurde; tritt
nun ein Adagio an deſſen Stelle, ſo verliert die ſchöne Melodie, welche
in dieſem ſo bekannten und beliebten Tonnücke vorherrſchend iſt, be-
deutend und wird matt. — Das Duett mit dem Pagen im erſten Akte
ſang er oberflächlich. —
Prinzeſſin — Dem. M. Wohlbrück. Wenn wir uns nicht ſehr ir-
ren, ſo ſang Dem. W. dieſe Rolle mit größerem Eifer und ſichtbare-
rer Anſtrengung, auch mit mehr Beifall, als die bisherigen. Ihre
Stimme war recht lieblich, obgleich in den tiefen Tönen etwas ſchwach,
doch geht aus ihrem Geſang und ihrem Portamento eine gute Schule
hervor. Nur machen wir ſie, aufmerkſam, mit ihren Manieren nicht
überladen zu ſeyn. Die Roſſiniaden „ wenn auch an deren Bravour

eben und Wiſſenſchaft.

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nichts auszuſezen iſ machen, zu häufig angebracht, die Bojeldieu'ſche
Muſik fremd. Auch Dem. W. nahm das 3. Couplet im Troubadour
zu langſam. — Den Pagen gab Mad. Louiſe Frank. Durch lebendiges
Spiel weiß Mad. Frank die fehlende Friſche in ihrem Geſang zu er⸗—
ſetzen, und wir wünſchen die Künſtlerin in ähnlichen Rollen noch oft
auftreten zu ſehen.
Herr Haßloch, als Wirth, trat durch Munterkeit und Laune her-
vor. — Dem. Madler (Lorezza, hatte eine zu kleine Rolle, um etwas
über ihren Geſang bemerken zu können. Herr Hanwacker als Sene-
ſchall war ganz an ſeinem Platz.

Die Chöre, und beſonders das Finale im 1. Akt, wurden meiſter-
haft executirt. Das Orcheſter zeichnete ſich unter Leitung des Herrn
Capellmeiſters Appold, wie immer durch Präciſion und Vortrag aus.

Am 21. „Das Bild.“ Trauerſpiel in 5 Akten, von Houwald. Ca-
milla: Mad. Miedke.

Unter allen Rollen ſcheint uns dieſe eine für Madame Miedke am
wenigſten paſſende zu ſeyn, indem ſich weder ihr Körverbau, noch ihre
Haltung/ noch ihre Stimme dafür eignen. Wenn wir uns die ſchwär-
meriſche, ſtillduldende Italienerin denken, und das obſchon mit Fleiß
durchdachte Spiel der Mad. M. damit in Vergleichung bringen, ſo
will uns dieſes leztere demungeachtet nicht ganz zuſagen. Das Inte-
reſſe war bis zum Schluß gut geſteigert, dem Ganzen mangelte auch
eine eigene Abrundung nicht; wir erinnern uns mit Vergnügen eini-
ger herrlichen Stellen, die ſie mit unverkenubarem Gefühl vortrug,
namentlich den Schluß⸗-Monolog des 3. Aktes, aber wir finden das
Ganze, wie das Einzelne, eigen; mit Wahrheit und Effekt, aber nicht
mit dem Dichter conform. Auch einige Punkte ſchienen uns nicht tief
und wahr genug zu ſeyn, z. B. war die Bewegung bei den Worten:
»Es iſt ſein Tritt, der durch den Kreuzgang ſchallt“, zu ſtark. Sehr
brav motivirt war die Todesſzene, was doppelte Würdigung verdient,
da ſie nicht allein ſehr ſchwer, ſondern auch höchſt unnatürlich iſt. —
Den Meiſter Spinaroſa gab Herr Fiſcher zur höchſten Befriedigung;
dieſe Aufgabe iſt von ihm gelöst. Es wäre vergebens das Zartgefühl
zu ſchildern, mit dem er den Geiſt dieſes Charakters aufgefaßt hat,
denn vom Anfang bis zum Ende geht er mit Dichter und Dichtung
Hand in Hand. Wie ſchön tritt er gleich im erſten Akte auf, wo in
der Szene mit Lenardo, die auf Spinaroſa's Weſen und Charakter
mehr, als auf ſeine frühern Geſchichten geht, der ernſte Gram in
Spiel und Sprache ruht; wie höchſt gelungen war die ſtumme Wieder-
erkennung ſeiner Camilla beim Mahlen des Bildes, wie erſchütternd

der Schluß:

„Es iſt ſein Tritt der durch den Kreuzgang ſchallt — —
Camilla! Ja du biſt's! zu deinen Füßen.“

Noch erwähnen wir des Monologs im 4. Akte, der durchaus voll-
endet war. Mit einer ſo wahren Fülle der Kunſt, und mit ſo war-
mem Gefühle haben wir niemals irgend eine Szene vortragen ge-
ſehen. Jene merkwürdigen Worte: „Der Maler Lenz iſt todt!“ wa-
ren ſo richtig bezeichnet und ſo erſchütternd ausgeſprochen, daß ſie nur
ein Gefühlloſer ohne die tiefſte Bewegung anhören konnte. und eben ſo
herrlich war ſeine Todesſzene, und nur durch dieſes Spiel kann ihr ein
Intereſſe zu Theil werden, das der Leſer dieſes Trauerſpiels nicht ah-
net, wenigſtens nicht ohne die glühendſte Phautaſie. Nur wenn man
Leiſtungen anderer, ſonſt nicht unberühmter Künſtler, in dieſer Rolle
geſehen hat, kann —⁊ W das Verdienſt des vortrefflichen Repräſentan-
ten würdig meſſen. — In der Beſetzung der übrigen Rollen ſind zum
Theil ſehr grobe Fehler gemacht worden. Der Marcheſe Sorpento iſt
dem Herrn Steck zu Theil geworden. So ſehr wir auch das Verdienſt
dieſes Künſtlers zu ſchätzen wiſſen, ſo anerkannt auch ſeine Bravour
in verſchiedenen Rollen⸗Gattungen iſt, ſo wird er ans doch ſelbſt ge-
ſtehen, daß dieſe nicht für ihn geeignet iſt. 0
CJortfetzung folgt.)

TTTTTPTTDTDTDTDTDTDTCDTCTCTCTCTCTCTCTCTCTCTPTCTPTCNTCTTNTCQ TTTPTSTT —L

Verleger: Karl Groos/ Neue akademiſche Buchhandlung in Heidelberg. —

Druckerei von F. Kaufmann ſeel. Witwe.
 
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