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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 1
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0059
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Angriff genommen worden war. Die im Mit-
telpunkt der Galerie unter der zwei gleich-
lange Flügel voneinander trennenden Kuppel
aufgestellten Büste des Architekten Juan de
Villanueva, nach dessen Entwürfen unter
KarlIII. (1785) der für die königlichen Samm-
lungen bestimmte Palast begonnen worden ist,
trägt eine Gedenktafel, durch die zwei Daten
festgehalten werden: Das der Eröffnung des
Museums im Jahr 1819, unter der Regierung
Ferdinands VII., und daisder unter Alfons XIII.
1927 beendeten Restauration, bei der die Gale-
rie als repräsentativer Hauptraum für die Un-
terbringung der spanischen Malerei hergerich-
tet wurde.
Für die Gesichtspunkte, nach denen die durch-
greifenden Veränderungen innerhalb des Pra-
do-Museums vorgenommen worden sind, war
auf der einen Seite ausschlaggebend, den zur
Verfügung stehenden Raum, soweit dies ohne
Beeinträchtigung der architektonischen Ein-
heit des Gebäudes möglich war, zu erweitern,
die inneren Verbindungen zwischen den ein-
zelnen Teilen der ziemlich weitläufigen und
durch verschiedene spätere Einbauten reich-
lich verwinkelten Anlage bequemer und zweck-
mäßiger zu gestalten, durch feuersichere Ein-
deckungen der Gefahr eines Brandes vorzubeu-
gen, vor allen Dingen aber die vor kurzem
noch recht wenig übersichtliche Anhäufung
unvergleichlicher Kunstschätze in ein leicht
verständliches, sozusagen organisches System
zu bringen. Da nun dasPrado-Museum vor den
meisten Sammlungen, die ihm vielleicht an die
Seite gestellt werden könnten, den seltenen
Vorzug besitzt, daß es in der Tat ein National-
denkmal der Kunst einer ruhmreichen ge-
schichtlichen Entwicklung von vier oder auch
fünf J ahrhunderten ist, ergab sich der leitende
Gedanke für einen gründlichen Kunsthistori-
ker, wie es Beruete war, beinah von selbst: die
Neuordnung des Museums sollte zugleich das
Bild seiner Entstehung sein. Daß hierbei der
Ehrenplatz für die spanische Kunst in An-
spruch genommen wurde, ist leicht begreiflich.
Freilich muß dahin gestellt bleiben, ob nicht
vielleicht der eine oder der andere Meister,
wie beispielsweise Ribera, Murillo, Zurbaran,
auch manches einzelne Bild, früher besser zur
Geltung kam, als die Wahl des Platzes noch
ohne Rücksicht auf den organischen Zusam-
menhang erfolgt war. Eine 110 Meter lange
Galerie kommt mehr der perspektivistischen
Wirkung zu statten, als daß man in ihr die
Sammlung und Abgeschlossenheit finden kann,
die die Eigenart jedes Künstlers verlangen
darf. Zugleich ist nicht zu bestreiten, daß die-

ser Riesenraum, mit blendend weißen Gewöl-
ben und einem hellen Silbergrau der Wände,
vorläufig etwas frostig wirkt. Auch möchte
man nicht ohne weiteres zugeben, daß nun ge-
rade dieser Hintergrund der vorteilhafteste für
die dort aufgehängten Gemälde ist. Zum min-
desten empfindet man beim Retreten der Halle
unwillkürlich den YV unsch, der vor der Hand
etwas aufdringliche Eindruck der Neuheit
möchte recht bald unter der mildernden Pa-
tina des Alters verschwinden.
Ein Gang durch diese Spaniens Kunst, geweihte
Ruhmeshalle und ihre Nebenräume ist ein
Gang durch Spaniens geschichtliche Größe.
— Im Vestibül, durch das man die große Ga-
lerie betritt, empfängt uns das i5. Jahrhun-
dert, in dem sich die christliche Malerei der
Halbinsel, nach Beendigung eines 800 jährigen
Glaubenskampfes, erst ihrer Eigenart bewußt
wird: Der darauf folgende erste Abschnitt


Renee Sintenis Junger Hund
Photo Galerie Flechtheim, Berlin / Ansgestellt
in der Galerie Barbazanges, Paris. Januar 1928

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