Erkenntnisse liegt, ist heute noch nicht zu
sehen. Für die Ortsbestimmung der Kleeschen
Kunst wird er von ebenso entscheidender Be-
deutung sein, wie für die Herausarbeitung der
geistigen Physiognomie unserer Epoche. Ich
kenne keine Fragestellung der letzten zwanzig
Jahre, die nicht intuitiv oder bewußt in den
Gesichten und Gestaltungen Klees anklänge.
Unter den 5o Bildern bei,,Ficles“ ist die Hälfte
aus den letzten zwei Jahren. Es sind zum Teil
exakte, zum Teil traumhaft umschreibende
Ausformungen eines neuen mythologischen
Bewußtseins, das den Menschen neben, nicht
über die anderen Gegenstände der Wirklich-
keit und Überwirklichkeit stellt. Mit jeder Ar-
beit wird Neuland gewonnen oder Vorhande-
nes von einer unerwarteten Einsicht her er-
forscht. Die Zahl der Bildtypen wächst unauf-
hörlich. Ein Stück Leinwand verwandelt sich
zuweilen unter seinen Händen zu einem Stück
edelster Malerei im altmeisterlichen Sinne
ohne daß mehr sich nachrechnen ließe als die
Abwandlung von ein paar Formelementen. —
A. v. J a w 1 e n s k y hat es nicht leicht daneben,
aber er behauptet sich doch. Es ist völlig gleich-
gültig geworden, daß er immer wieder den
Kopf des Menschen als Ausgangspunkt seiner
Empfindungen benützt. In Bildern wie „Er-
leuchtung“, „Erfüllung“, „September“ liegt
eine ganz große Vorstellungs- und Formen-
gewalt. Es beweist eine erfreuliche Solidari-
tät, wenn Klee und Ivandinsky mit Feininger
und Jawlensky als „Blaue Vier“ in der Alten
und Neuen Welt die Ziele ihrer Kunst gemein-
schaftlich vertreten. W.Grohmann
MANET IN BERLIN
Meier-Graefe hat im letzten Heft dieser Zeit-
schrift aus Anlaß der verdienstvollen Ausstel-
lung Edouard Manets in der Galerie Matthie-
sen geschrieben. Inzwischen haben wir die Er-
öffnung der Ausstellung erlebt, bei der Emil
Waldmann eine durch Esprit ausgezeichnete
Bede hielt, die mit feinem Humor gewisse Tat-
sachen unterstrich, die gerade dem Freunde
deutscher Kunst zu denken gaben. Das ganze
künstlerisch interessierte Berlin und viele aus-
wärtige Gäste waren anwesend, die voll Freude
dieser meisterhaften Einführung in das Werk
des Künstlers und seine menschlichen Schick-
sale lauschten.
Danach gab es ein Neues: Im Hotel Esplanade
waren mehr als 200 Teilnehmer Gäste bei
einem Frühstück, zu dem die Galerie Matthie-
sen geladen hatte. Der französische Botschaf-
ter an der Ehrentafel, neben den Vertretern
der Berliner Museen (Generaldirektor Waet-
zoldt., Geh.-Bat Friedländer) und den Vertre-
tern des Louvre und Luxembourg, sprach über
Manet, über Deutschland, über Berlin, das er
als die Hauptstadt der Kunst im neuen Euro-
pa feierte, in einer ebenso geistvollen wie
sympathischen Form, daß man die Abwesen-
heit des offiziellen diplomatischen Deutsch-
lands nur bedauern konnte. Es sprach vorher
der junge Unternehmer dieser Manet-Schau,
F. M. Zatzenstein (Inhaber der Galerie Mat-
thiesen), phrasenlos und sachlich sympathisch,
es sprachen offiziell außerdem wieder Emil
Waldmann und Jens Thiis, der Direktor der
Nationalgalerie in Oslo. Wie klug ist diese
feine Form der Propaganda für eine Anger
legenheit, über die es keine Locarno - Diskus-
sion mehr geben kann. Zu der Ausstellung
sind die Meisterwerke aus den europäischen
Sammlungen nach Berlin gekommen. Zur Er-
öffnung waren die musealen Hüter Manet-
scher Kunst erschienen. Der Einzige, dessen
Fernsein mit Recht allgemein bedauert wurde,
war der Direktor der repräsentativsten deut-
schen Galerie für neuzeitliche Kunst, der Lei-
ter der Nationalgalerie, die gewisser Grund-
sätze wegen auch die Beteiligung an der Aus-
stellung abgelehnt hatte! Das Versagen deut-
scher Kulturpropaganda kommt einem in sol-
A. v. Jawlensky Erleuchtung
Ausgestellt bei Fides, Dresden
147
sehen. Für die Ortsbestimmung der Kleeschen
Kunst wird er von ebenso entscheidender Be-
deutung sein, wie für die Herausarbeitung der
geistigen Physiognomie unserer Epoche. Ich
kenne keine Fragestellung der letzten zwanzig
Jahre, die nicht intuitiv oder bewußt in den
Gesichten und Gestaltungen Klees anklänge.
Unter den 5o Bildern bei,,Ficles“ ist die Hälfte
aus den letzten zwei Jahren. Es sind zum Teil
exakte, zum Teil traumhaft umschreibende
Ausformungen eines neuen mythologischen
Bewußtseins, das den Menschen neben, nicht
über die anderen Gegenstände der Wirklich-
keit und Überwirklichkeit stellt. Mit jeder Ar-
beit wird Neuland gewonnen oder Vorhande-
nes von einer unerwarteten Einsicht her er-
forscht. Die Zahl der Bildtypen wächst unauf-
hörlich. Ein Stück Leinwand verwandelt sich
zuweilen unter seinen Händen zu einem Stück
edelster Malerei im altmeisterlichen Sinne
ohne daß mehr sich nachrechnen ließe als die
Abwandlung von ein paar Formelementen. —
A. v. J a w 1 e n s k y hat es nicht leicht daneben,
aber er behauptet sich doch. Es ist völlig gleich-
gültig geworden, daß er immer wieder den
Kopf des Menschen als Ausgangspunkt seiner
Empfindungen benützt. In Bildern wie „Er-
leuchtung“, „Erfüllung“, „September“ liegt
eine ganz große Vorstellungs- und Formen-
gewalt. Es beweist eine erfreuliche Solidari-
tät, wenn Klee und Ivandinsky mit Feininger
und Jawlensky als „Blaue Vier“ in der Alten
und Neuen Welt die Ziele ihrer Kunst gemein-
schaftlich vertreten. W.Grohmann
MANET IN BERLIN
Meier-Graefe hat im letzten Heft dieser Zeit-
schrift aus Anlaß der verdienstvollen Ausstel-
lung Edouard Manets in der Galerie Matthie-
sen geschrieben. Inzwischen haben wir die Er-
öffnung der Ausstellung erlebt, bei der Emil
Waldmann eine durch Esprit ausgezeichnete
Bede hielt, die mit feinem Humor gewisse Tat-
sachen unterstrich, die gerade dem Freunde
deutscher Kunst zu denken gaben. Das ganze
künstlerisch interessierte Berlin und viele aus-
wärtige Gäste waren anwesend, die voll Freude
dieser meisterhaften Einführung in das Werk
des Künstlers und seine menschlichen Schick-
sale lauschten.
Danach gab es ein Neues: Im Hotel Esplanade
waren mehr als 200 Teilnehmer Gäste bei
einem Frühstück, zu dem die Galerie Matthie-
sen geladen hatte. Der französische Botschaf-
ter an der Ehrentafel, neben den Vertretern
der Berliner Museen (Generaldirektor Waet-
zoldt., Geh.-Bat Friedländer) und den Vertre-
tern des Louvre und Luxembourg, sprach über
Manet, über Deutschland, über Berlin, das er
als die Hauptstadt der Kunst im neuen Euro-
pa feierte, in einer ebenso geistvollen wie
sympathischen Form, daß man die Abwesen-
heit des offiziellen diplomatischen Deutsch-
lands nur bedauern konnte. Es sprach vorher
der junge Unternehmer dieser Manet-Schau,
F. M. Zatzenstein (Inhaber der Galerie Mat-
thiesen), phrasenlos und sachlich sympathisch,
es sprachen offiziell außerdem wieder Emil
Waldmann und Jens Thiis, der Direktor der
Nationalgalerie in Oslo. Wie klug ist diese
feine Form der Propaganda für eine Anger
legenheit, über die es keine Locarno - Diskus-
sion mehr geben kann. Zu der Ausstellung
sind die Meisterwerke aus den europäischen
Sammlungen nach Berlin gekommen. Zur Er-
öffnung waren die musealen Hüter Manet-
scher Kunst erschienen. Der Einzige, dessen
Fernsein mit Recht allgemein bedauert wurde,
war der Direktor der repräsentativsten deut-
schen Galerie für neuzeitliche Kunst, der Lei-
ter der Nationalgalerie, die gewisser Grund-
sätze wegen auch die Beteiligung an der Aus-
stellung abgelehnt hatte! Das Versagen deut-
scher Kulturpropaganda kommt einem in sol-
A. v. Jawlensky Erleuchtung
Ausgestellt bei Fides, Dresden
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