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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 6
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Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0235
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beinahe boxerisch faustende Gestus der Haupt-
gestalt bleibt bloße Wuchtpointe, sonst viel
schaumige Vibration, nichts aber von dem spe-
zifischen Feuer und Ungestüm, von der düster
rollenden Tiefe der Tonwelt, der hier ein
Gleichnis errichtet sein soll. Außerdem eignet
sich das ganz reliefhaft komponierte Werk we-
nig zu der vorgesehenen freien Aufstellung.
Es sind doch erst die ruhig belebten, klugen
Antlitze, die schmalen Körper steil in sich hän-
gender Einzelgestalten wie jenes „Einsamen“,
die wunderbar lose und suggestiv aufs Blatt
geworfenen Bewegungsstudien ringsum, die
Kolbes Außerordentlichkeit unbedingt erwei-
sen. Gerade von dem Monumentalbildner Kolbe
kann auch diese durch Freunde und Autoritä-
ten propagatorisch betonte Veranstaltung nicht
recht überzeugen. *
In der Galerie Flechtheim bereitet Dietz
E dz a r d die angenehmste Überraschung, denn
er ist von seiner fade andächtelnden, pseudo-
lochnerischen Art durchaus abgekommen, ein
Maler geworden, der kein anämisches Schema
des Zarten mehr braucht, sondern frei und
geistreich aus sprühendem Blaßbunt heraus das
Fluidum und die schillernde Öde einer Arti-
stengarderobe, den transparenten Ileiz eines
Frauenkopfes oder die verschwitzt-zerschminkte
Verschmitztheit des dummen Augusts zu ent-
wickeln weiß. Manche seiner kleinen schnee-
hellen oder sonnigen Landschaften sind von
einer inspirierten Unwillkürlichkeit der leich-
ten Hand, die entzückt. — Kontrastierend
hängt Flechtheim die immer noch monströs
überschwappenden Damen und fettschenkeli-
gen Kunstreiterinnen von Paul Klein-
schmidt dazu, deren wenig appetitliche Kor-
pulenz nicht unempfänglich machen sollte fin-
den Elan und leckeren Lüster der schlammig
strudelnden Farbmaterie. Eigenart des Bild-
aufbaus und Bhythmik des Pigments sind vol-
lends in den lukullischen Stilleben dieses Ma-
lers nicht zu übersehen. Freilich dreht er noch
gar zu gern Locken ins Bild, das Spielerische
ist seine Gefahr. *
Auf sehr guten Wegen befindet sich auch
Franz II ecken dorf, wie seine Bilder in
der Kunsthandlung V. Hartberg dar-
tun. Grelle Schärfen des Kolorits sind zu far-
biger Fülle gewandelt, deren Blühen einen um-
fangenden Schimmer nicht oder doch nur sel-
ten noch zersprengt. Ein ehedem oft automati-
scher Schmiß wirkt nun meist als natürliche
Lockerung. Man stellt gern fest, daß der Künst-
ler sich nicht mehr allein auf seine Virtuosi-


Dietz Edzard Maria Orska als Effi
Ausgestellt in der Galerie Flechtheim, Berlin
tat verläßt, sondern gewähltere Wirkungen an-
strebt.
Eine vielseitige, gefährlich vielseitige, aber
durch alle Abschweifungen deutliche Bega-
bung präsentiert die „Kunststube“ (Mat-
thäikirchstraße) in dem jungen H. Kupfer-
berg. Andrerseits kann der alte Hans Herr-
mann in der Galerie Gasper durch Aqua-
rellskizzen koloristische Qualitäten erweisen,
die man vor allzu ausgeführten großen Gemäl-
den zu unterschätzen geneigt ist. Außerdem
und vor allem gibt es hier eine bemerkens-
werte Reihe von Menzel-Zeichnungen zu
schauen. Wolfradt

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