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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 11
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Göbel, Heinrich: Ein Teppich der Pastor-Fido-Serie
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https://doi.org/10.11588/diglit.41322#0397
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EIN TEPPICH DER PASTOR-FIDO-SERIE
VON HEINRICH GÖBEL

Henri Lerambert, der Entwerfer der Artemisiafolge, der größten Serie des
Pariser Betriebes der van den Planken und Comans, verstirbt 1609. Die
Existenz der von den beiden Flamen gegründeten Ateliers hängt in hohem
Maße von der Wahl geeigneter Patronenzeichner ab. Es findet ein regel-
rechter Wettbewerb statt. Laurent Guyot, sein späterer Schwager Guillaume
Dumee, Gabriel Honnet und Martin de Hery treten als Konkurrenten auf den
Plan. Gegenstand des Wettbewerbes ist eine Episode aus Guarini’s »II Pastor
Fido«; Dumee und Guyot erringen am 2. Januar 1610 den Siegespreis. Der
Entschluß der Prüfungskommission findet allgemeine Zustimmung; die Pastor-
Fido-Folge wird zum. Glanzstück der van den Planken-Comansschen Manu-
fakturen. Zahlreiche Serien entstehen im Aufträge des Königs und der
Großen des Hofes. Noch 1629 — nach dem Ableben des Franz van den
Planken — haben die Motive nichts an ihrer Beliebtheit eingebüßt; das
Nachlaßinventar des großen Wirkers erwähnt nicht weniger als 59 Pastor-
Fido-Teppiche auf dem Lager bzw. auf den Gezeugen. Es ist natürlich nicht
einfach, zu entscheiden, zu welcher speziellen Serie der prächtige Teppich des
Hauses Malmede gehört, der mir übrigens aus dem Besitz des württembergi-
schen Staates bekannt ist, dem er früher eignete. Die Zuschreibung an den
Kardinal Mazarin, die mehrfach versucht wurde, ist meines Erachtens un-
richtig; das 1655 aufgestellte Mobilienverzeichnis des großen Staatsmannes be-
schreibt seine Pastor-Fido-Folge mit genügender Deutlichkeit, um keine Irr-
tümer aufkommen zu lassen. Die Bordüre, »de festons de fleurs et fruits, au
milieu de laquelle sont les chiffres de la feue Roy ne Mere« (gemeint ist die
am 5. Juli 1642 verstorbene Königin Maria von Medicis), weicht völlig von
der Fassung des vorliegenden Teppichs ab. Die vereinigten Wappen von Frank-
reich und Navarra in der oberen Rahmung lassen unschwer auf eine im staat-
lichen Aufträge entstandene Serie schließen. Ziehen wir die Aufstellung des
Gedeon du Metz (Archives de l’Oise) und das von Guiffrey veröffentlichte
Generalinventar des »Mobilier de la Couronne« unter Ludwig XIV. zu Rate,
so findet sich unter Nr. 5 der nicht golddurchwirkten Serien die »tragicomedie
de Pastor-Fido, dessein de Guyot et Dumay« in einer Fassung »fonds de gri-
sailles, remplies de carquois, branchages et testes de chien et de cerf, les armes
de France et de Navarre dans le milieu du hault, deux sceptres croisez sur une
L dans le milieu du bas, et quatre figures de grisaille aus quatre coins«. Bis
auf die Tatsache, daß die gekrönten L von Palmetten begleitet sind und nicht
unter gekreuzten Zeptern liegen, stimmt die Beschreibung mit der Fassung des
Teppichs überein. Es liegt zum mindesten die starke Wahrscheinlichkeit vor,
daß der Behang einst zum Bestände der Folge im Staatsbesitze Frankreichs ge-
hörte, die in den Tagen der großen Revolution 1792 (1793) zum Verkaufe
gelangte.
Das dargestellte Motiv ergibt sich unschwer aus der Dichtung Guarinis. Im
Vordergründe links klagt Myrtillus dem Ergast sein Liebesleid, rechts dreht
Sylvius wenig galant der schönen Dorinda den Rücken, im Hintergründe (in
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