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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 20.1928

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Heft 17
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Rundschau
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RUNDSCHAU

DIE BILDERSAMMLUNG DES EARL OF
LVEAGII IN LONDON
SCHENKUNG AN DIE STADT
Im August ward die wahrhaft königliche Schen-
kung der Öffentlichkeit übergeben, die der
erste Earl of Iveagh, Edward Cecil, der Stadt
London machte: Sein Landsitz in dem Riesen-
park Kenwood in Hampstead. Das Haus mit
der ganzen darin befindlichen Gemäldesamm-
lung, den alten Möbeln und der Bibliothek.
(Dazu ein Kapital von i Million Mark für die
Unterhaltung.)
Als Kunstsammler hat der im Jahre 1927 acht-
zigjährig verstorbene Lord Iveagh nicht nur
für London, sondern für England Unschätz-
bares geleistet: Er rettete, durch sein Sam-
meln und durch sein Vermächtnis, wertvoll-
sten englischen Kunstbesitz vor der Abwande-
rung. Denn seine 65 Bilder stammen fast sämt-
lich aus alten englischen Sammlungen, die der
Auflösung anheimfielen. Was in anderen Län-
dern ein Ausfuhrverbot für „national wich-
tigen Kunstbesitz“ nicht erreichen kann, er-
reichte in England, wenigstens bis zu gewissem
Grade, ein einzelner Mensch.
Das bekannteste und berühmteste Stück der
Iveagh-Kollektion ist Rembrandts großar-
tiges spätes Selbstbildnis aus den Jahren 1660
bis i665. Es war vor zwei Jahren im Amster-
damer Rijks-Museum, beim siebenhundertsten
Jubiläum der Stadt, ausgestellt und ward dort
eigentlich zuerst bekannt. Denn vorher, beim
Marquess of Lansdowne, hatte es so gut wie
niemand gesehen. Von diesem „Mühlenbesit-
zer“ (aber Rembrandts „Mühle“, die dann zu
Widener nach Amerika ging, ist vielleicht gar
nicht von Rembrandt) übernahm er noch ein
sehr schönes Damenbildnis, von nobler Hal-
tung und feiner Empfindung, aus dem Jahre
1642, sowie eine Kanallandschaft im Winter
von Isaak van 0 stade, einen Meter breit,
und eine prachtvolle, nicht allzugroße Maas-
Ansicht von Aelbert Cuyp. Sein Rubens,
Bildnis des Künstlers mit seiner Frau, in Zu-
sammenarbeit mit Frans Snyders entstanden,
stammt vom Earl of Aylesford, seine Idenrietta
von Lothringen von van Dyck besaßen nach-
einander König Karl I., Philippe Egalite-Or-
leans, Duke of Hamilton und Earl of Rose-
bery, das Seestück des in England gestorbenen
Willem van de Velde (der in England die
Marinemalerei von der Observanz des Charles
Brooking inspirierte) Lord Mount Temple,
und den Frans Hals, Bildnis des Gründers
von Batavia Pieter van der Broecke, in den
564

dreißiger Jahren gemalt, kannte man aus der
Sammlung Secretan. Die größte Überraschung
in der Abteilung der alten Holländer aber be-
deutet Jan Vermeers „Lautenspielerin“.
Man dachte, infolge eines Hofstede de Groot-
schcn Irrtums, immer, das Exemplar bei John
Johnson in Philadelphia hätte Lord Iveagh ab-
gegeben. Er hat es aber noch, dieses früher
in den Sammlungen Cowper-Temple und Ash-
ley befindliche Original, und Johnson hat eine
Kopie gekauft, die wahrscheinlich einige Jahr-
zehnte später entstand und mehr den Ge-
schmack des Adriaen van der Werff zeigt.
Außer einigen Franzosen des Dix-huitieme,
zwei sehr schönen Paters vom Lord of Tha-
net und einigen Bouchers der Lonsdale-
Kollektion bilden das Hauptkontingent der
Bilder in Kenwood-IIouse die englischen Ge-
mälde. Alle großen Porträtisten sind reich ver-
treten, und unter den Werken von Reynolds
sind einige wahrhafte Meisterwerke; das viel-
leicht schönste unter ihnen, Kitty Fischer als
Kleopatra (Provenienz: Earl of Rornigdon,
Earl of Morley und Ferdinand Rothschild)
könnte bei Wallace als Pendant zur Nelly
O’Brien hängen. Unter den Kompositionen
des Reynolds, die er selbst ja sehr schätzte,
steht ein Bild von Amor, der Venus Rechen-
schaft über seine Leistungen ablegt, an erster
Stelle. Es erinnert, aber nur in Einzelheiten,
ein Avenig an Correggio. Neben Gainsbo-
roughs Bildnissen, unter denen Mrs. Sheri-
dan und Georg IV. als Kronprinz, aber auch
William Pitt glänzende Figur machen, hängt
auch eine Landschaft von ihm, ein auffallend
heller „Market-Cart“. Romneys Lady Ha-
milton am Spinnrad, Ganzfigur in Lebens-
größe in Weiß, ist bester Romney; Raeburn
scheint auch hier wieder etwas überschätzt und
vor Lawrences berühmtem Kinderbildnis
der Miß Murray bewundert man wieder das
unerhörte Malenkönnen; die Blumen sind so
schön wie von Edouard Manet. Aber das
Ganze, als Bild und als Porträt, ist furcht-
bar.
Bei der englischen Landschaftsmalerei ging
Lord Iveagh bis dicht vor Constable, der ihm
wohl zu modern war, mit. Der Turner ist
glücklicherweise früh und solide, ein Küsten-
bild mit Fischern. Die große staffierte Wald-
landschaft mit dem Wirtshaus von dem in
Deutschland vollkommen verkannten George
Morl and, der doch ein bedeutender, wenn
auch manchmal etwas zuchtloser Maler war,
führt die mit Gainsborough einsetzende mo-
 
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